Fühlen Sie sich angesprochen bzw. ertappt? Dieses Thema geistert auf jeden Fall seit Wochen durch die Medien und unterstellt den Beschäftigten, es mit der Arbeitsmoral nicht so ernst zu nehmen. Begonnen hat das Ganze mit dem Vorschlag des Chefs einer großen deutschen Versicherung. Dieser fordert, die Lohnfortzahlung für den ersten Krankheitstag auszusetzen, andere schlagen vor, die Lohnfortzahlung prozentual zu kürzen.
Hintergrund dieser Diskussion ist der hohe Krankenstand in deutschen Unternehmen. Im Herbst 2024 waren es bereits 225 Krankmeldungen auf 100 Versicherte. In den Vorjahren lag diese Quote bei gut 160. Den Beschäftigten wird vielfach unterstellt, sich einfach krankzumelden, ohne wirklich krank zu sein. Das wolle man für den ersten Krankheitstag unterbinden, damit Arbeitnehmende nicht mehr die Lohnfortzahlung ausnutzen können und die Krankheitstage wieder sinken.
Die wissenschaftlichen Befunde sprechen jedoch eine andere Sprache. Ohne Frage seien die Fehlzeiten hoch. Dies habe jedoch andere Gründe, sagen die Forschenden der Hans-Böckler-Stiftung. Unter anderem seien dafür psychische Erkrankungen verantwortlich, die in der Regel mit langen Ausfallzeiten verbunden seien und heutzutage besser erkannt werden. In vielen Unternehmen sei auch der zunehmende Stress durch Personalmangel und Digitalisierung schuld. Hinzu komme eine sehr hohe Zahl an Atemwegserkrankungen. „Last but not least“ lasse sich der Anstieg der Krankheitstage auf die bessere Erfassung durch die digitale Abwicklung von Krankschreibungen zurückführen. Vielleicht erinnern Sie sich, wie es früher war: Nachdem man den gelben Schein vom Arzt erhalten hatte, musste man ihn selbst an die Krankenkasse weiterleiten…. wenn man es nicht vergaß…
Meine Mutter hat schon früher immer gesagt: Eine Erkältung kommt drei Tage, bleibt drei Tage und geht drei Tage. D.h. man muss sie auskurieren und sich entsprechend verhalten. Bedeutet also: nicht arbeiten. „Präsentismus“, also das Arbeiten trotz Krankheit, schadet langfristig dem Erhalt der Arbeitskraft und erhöht die Gefahr von Fehlern und Unfällen. Gleichzeitig steckt man noch Kolleg*innen an.
Die Techniker Krankenkasse hat dazu ausgewertet, wie viele Beschäftigte 2022 gearbeitet haben, obwohl sie krank waren.
Mit
Fieber 18,4 %
Durchfall/Erbrechen 20,4 %
Husten 37 %
Kopfschmerzen 38,7 %
Schnupfen 39,2 %
Halsschmerzen 41,2 %
Und die Tendenz ist aufgrund der neuen Homeoffice-Kultur sicherlich steigend.
Geeigneter, die Fehlzeiten zu senken und die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten, seien laut Hans-Böckler-Stiftung eher Präventionsmaßnahmen. Mit Gefährdungsbeurteilungen und betrieblicher Gesundheitsförderung würden Unternehmen zu besseren Arbeitsbedingungen und weniger krankheitsbedingten Ausfällen beitragen.
Und nicht damit, alle Mitarbeitenden unter Generalverdacht zu stellen und ihnen das Entgelt zu kürzen.
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