Betriebliches Gesundheitsmanagement – ein Erfolgsmodell?

Betriebliches Gesundheitsmanagement - ein Erfolgsmodell?

Es steht nicht zum Besten mit der psychischen und körperlichen Gesundheit deutscher Beschäftigter. Aber tun die Unternehmen auch genug, um Abhilfe zu schaffen? Die Studie #whatsnext – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt untersucht, ob und wie ein zukunftsfähiges Gesundheitsmanagement umgesetzt wird bzw. werden kann. Im Rahmen dieser Studie haben die Techniker Krankenkasse (TK), das Institut für betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) und das Personalmagazin im Herbst letzten Jahres 1.000 Geschäftsführende sowie HR- und BGM-Verantwortliche befragt. Mit dem Ergebnis, dass das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) leider in die falsche Richtung zu laufen scheine bzw. die Anstrengungen stagnieren.

Von Jahr zu Jahr steigen die Belastungen der körperlichen und psychischen Gesundheit. Die Gründe dafür liegen sowohl in der sich dynamisch veränderten Arbeitswelt, die den Arbeitnehmenden einiges abverlangt, aber auch in persönlichen Ängsten/Leid oder körperlichen Beeinträchtigungen. Seien es steigende Kosten durch die Inflation oder auch die Pandemie, die Beschäftigten agieren zunehmend am Rande ihrer Leistungsfähigkeit.

Ein Betriebliches Gesundheitsmanagement könnte hier Abhilfe schaffen. D. h. die Strukturen und Prozesse in den Unternehmen müssten so verändert werden, dass sie nicht krank machen bzw. nicht noch mehr belasten. Die körperliche und psychische Gesundheit der Beschäftigten würde dadurch gefördert und die Resilienz gestärkt.

Ganzheitliches BGM oder nur Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung?

Lediglich ein Drittel der Befragten habe ein BGM eingeführt. D. h. hier wurde der ganzheitliche Prozess über die Bedarfsanalyse, daraus abgeleitete Maßnahmen und eine wiederholte Wirksamkeitsprüfung initiiert.

In 90 % der Unternehmen wurden lediglich Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) angeboten. Wie z. B.

  • Arbeitssicherheit
  • Betriebliches Eingliederungsmanagement
  • Betriebliches Versorgungsmanagement
  • Digitale Gesundheitsberatung
  • Maßnahmen zur Ergonomie
  • Sport und Bewegung

Für Mark Hübers vom IFBG ist das deutsche BGM ausbaufähig und er sieht die Studienergebnisse mit Sorge. Bedauerlich sei, dass 3 von 4 Organisationen noch keines eingeführt hätten. Dabei könne nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten und die Bindung an das Unternehmen gefördert werden, sondern auch dessen Produktivität.

Laut Sabine Voermanns von der TK seien die Entwicklungen u. a. der Pandemie geschuldet. In dieser Zeit wurden andere Dinge priorisiert und die Vorteile und Umsetzung eines ganzheitlichen BGM rückten dadurch in den Hintergrund.

Besonders beunruhigend sei der Vergleich mit den Ergebnissen der Studie aus 2017. Damals verfügten 26,3 % der Unternehmen über ein ganzheitliches BGM. Weitere 36,8 % gaben jedoch damals an, die Einführung zu planen. Ein Vorhaben, was scheinbar bei den meisten nicht umgesetzt werden konnte, denn heute sind es nur 27 % mit BGM. Die Entwicklung stagniere demnach.

Was läuft schief?

Es sei nicht so, dass den Unternehmen die Gefahr für die Gesundheit der Mitarbeitenden und die Produktivität nicht bewusst sei. So würden die Auswirkungen von Digitalisierung und psychischen Belastungen, die zum Burnout oder auch zur Depression führen können, durchaus wahrgenommen. Es sei den Organisationen auch bekannt, dass ein BGM helfen könne, Fachkräfte zu gewinnen und zu binden.

In der aktuellen Studie werde der Fachkräftemangel derzeit als größte zukünftige Herausforderung wahrgenommen. Die Gegenmittel, die daraufhin ergriffen würden, träfen aber oftmals nicht die richtigen Schwerpunkte. Das verhindere konsequente Prozesse zur betrieblichen Gesundheit.

Daran kranken die Gesundheitsbemühungen:

  • In ein strukturiertes BGM werde nicht investiert.
  • Nicht alle Personengruppen im Unternehmen würden angesprochen
  • Keine gesunde Führung
  • Statt langfristiger Planung häufig Aktionismus
Welche Personengruppen stehen im Fokus?

Aktuell stehen diese Gruppen bei den Gesundheitsverantwortlichen im Fokus:

  • Führungskräfte
  • Home-Office-Arbeitende
  • Hybrid arbeitende Beschäftigte
  • Teilzeitbeschäftigte
  • Auszubildende und junge Arbeitnehmer*innen

Besonders belastet sind derzeit aber andere Beschäftigungsgruppen: gewerblich Beschäftigte und Personen in Schichtarbeit. Ihnen wird momentan jedoch nur wenig Bedeutung hinsichtlich der BGM-Maßnahmen beigemessen. Weniger als die Hälfte der Unternehmen bieten ihren gewerblich Beschäftigten die Möglichkeit der Gleitzeit an. Und erschreckenderweise gebe es nur für gut 11 % der Produktionsmitarbeiter Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das seien sogar 4 % weniger als noch 2017.

Eine riskante Entwicklung sagt Mark Hübers, die größtenteils der Pandemie geschuldet sei. Durch Corona sei es kaum möglich gewesen, Vor-Ort-Angebote umzusetzen. Daher hätten die digitalen Gesundheitsangebote vor allem Beschäftigte im Homeoffice erreicht. Es sei aber dringend erforderlich, dass der Fokus wieder auf Schichtarbeiter und gewerblich Beschäftigte gelegt werde. Diese seien durch die verstärkt körperliche Arbeit und die unterschiedlichen Schichtzeiten speziellen Belastungen ausgesetzt. Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel sei dies notwendig.

Langfristige Planung statt Aktionismus

Beruhigend sei immerhin: Nur 8,4 % der Befragten gaben an, keinerlei Maßnahmen zur Gesunderhaltung für die Mitarbeiter*innen anzubieten. Der gleiche Prozentsatz wie auch schon 2017. Doch selbst wenn Einzelaktionen angeboten werden, können diese nur begrenzt wirken. Auf jeden Fall müsse eine klare Strategie dahinterstecken.

Den meisten Unternehmen seien aber der steigende Arbeitsdruck und die Menge und Komplexität der Arbeit bewusst. Und auch die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit werden erkannt.

Folgende Themen werden laut Befragten in der Bedeutung steigen:

  • Digitale Gesundheitsförderung
  • Herausforderungen durch New Work
  • Burnout und Depression
  • Überforderung
  • Work-Life-Integration

Was derzeit von den Unternehmen angeboten werde, seien Maßnahmen zu Sport und Bewegung. Nur ein Drittel der Betriebe setzen jedoch Angebote zu Stressbewältigung und Ressourcenstärkung um. Laut Mark Hübers seien dies ausschließlich Reaktionen auf bereits eingetretene Belastungen. Dringend notwendig sei aber, dass die Verantwortlichen agieren statt reagieren.

Blick auf die Ursachen

Was ist also die Ursache für die fehlende Gesundheit in den Unternehmen? Die meisten Organisationen scheinen ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Es gebe beispielsweise seit 2013 laut Arbeitsschutzgesetz die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen. Diese werden aber nur von gut der Hälfte der Unternehmen durchgeführt. Die von den Betrieben bisher erhobenen Daten wie Krankenstand, Fluktuation oder Produktivität, würden nicht ausreichen, um das BGM sinnvoll zu steuern.

Warum dies so sei, könne noch nicht gesagt werden. Man vermute, dass psychische Erkrankungen nach wie vor tabuisiert werden. Andererseits werden die mangelnde Abstimmung und das getrennte Agieren der Fachbereiche Arbeitsschutz und Betriebliches Gesundheitsmanagement ursächlich vermutet.

Stellschraube Führungskräfte

Wie erfolgreich ein BGM ist, hänge erheblich von der Führungsebene des Unternehmens ab. Den Führungskräften werde auch in der aktuellen Studie hohe Bedeutung beigemessen. In dem Zusammenhang sei auch die Unternehmenskultur entscheidend. Es bieten jedoch nur ca. 38 % der Unternehmen Maßnahmen an, die Führungskräfte befähigen, das Unternehmen und seine Mitarbeitenden erfolgreich und gesund zu entwickeln.

Dazu sagt Mark Hübers, dass die Bandbreite an Angeboten hoch sei, sie würden von den Unternehmen jedoch nicht ausreichend genutzt. Maßnahmen zur Empowerment-orientierten Führung würden zu selten umgesetzt. Auf struktureller Ebene müssten seiner Meinung nach Leitlinien und Vereinbarungen zum gesunden Führen sowie 360-Grad-Feebackgespräche etabliert werden. Nur damit könne das Thema Gesundheit konkret in der Organisationskultur verankert werden.

Investitionen fehlen

Vergleiche man die aktuelle Studie mit denen aus 2017 und 2020 zeige sich deutlich, dass nicht in das Betriebliche Gesundheitsmanagement investiert werde. Die finanziellen und persönlichen Ressourcen, die in den Unternehmen dafür zur Verfügung gestellt würden, seien seit Beginn der Umfragen nahezu unverändert geblieben.

Das Budget für das BGM lag 2017 bei knapp der Hälfte der Unternehmen unter 50.000 €. Heute seien es 66 % der Unternehmen mit unverändertem Budget. In Krisenzeiten werden also die finanziellen Ressourcen reduziert.

Die Autoren der Studie weisen aber auch ausdrücklich darauf hin, dass die Investition in Gesundheit nicht nur auf den finanziellen Background zurückzuführen ist. Dazu Mark Hübers „Wir haben festgestellt, dass die Organisationen, die ein ganzheitliches BGM etabliert haben, zwar über die höchsten finanziellen Ressourcen verfügen, gleichzeitig nutzen sie aber auch am häufigsten Sach- oder Finanzleistungen der gesetzlichen Krankenkassen und anderer Sozialversicherungsträger.“ Es sei also nicht nur eine Frage des Budgets, sondern auch des Wissens um Unterstützungsmöglichkeiten.

Wie Sie als Betriebsrat noch besser beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement unterstützen können, erfahren Sie z. B. in den Seminaren

Gesundheitsmanagement im Betrieb

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen im Betrieb

Kompaktausbildung: Fachkraft für psychosoziale Unterstützung in Unternehmen

 

Ein Kommentar

  1. Als ich in einem Unternehmen arbeitete, das großen Wert auf betriebliches Gesundheitsmanagement legte, konnte ich die Vorteile aus erster Hand erleben. Sie boten regelmäßige Fitnesskurse, Ernährungsberatung und psychologische Unterstützung an. Diese Maßnahmen trugen nicht nur zu meiner körperlichen und geistigen Gesundheit bei, sondern verbesserten auch meine Arbeitsleistung und mein allgemeines Wohlbefinden.

    14. Januar 2024
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