Ein typisches Problem: Schulungsbudget aufgebraucht – nichts geht mehr?
Neulich im Kundengespräch. Ein Betriebsrat würde gern ein Mitglied zu einer Schulung zum Thema „Künstliche Intelligenz“ entsenden, da das Thema gerade akut wird im Betrieb. Aber das Budget für Schulungen in diesem Jahr sei schon aufgebraucht. Was man denn da jetzt machen könne?
Das hört man leider sehr oft. Es gibt ja so Glaubenssätze, die sich einfach beharrlich festsetzen – aber leider falsch sind. Denn für Betriebsratsschulungen gilt: „Der Anspruch aus § 37 Abs. 6 BetrVG unterliegt nicht der Disposition der Betriebsparteien.“ Übersetzt: Arbeitgeber und Betriebsrat können keine davon abweichende Vereinbarung treffen. Also keine Kosten deckeln mittels Vereinbarung eines starren Budgets.
Oder um im Bild zu bleiben: Topf ja, aber kein Deckel drauf.
Warum Budgets trotzdem vereinbart werden
Dennoch ist es weit verbreitet, dass Betriebsräte vom Arbeitgeber ein Budget für ein Kalender-/Geschäftsjahr erhalten, innerhalb dessen sie dann (wie auch sonst!) freie Entscheidung haben, welche Schulungen von wem wann und wo besucht werden. Alles selbstverständlich nach Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nach § 37 Abs. 6 BetrVG.
Insbesondere für Spezialschulungen und in größeren Unternehmen scheint eine Budgetierung ein gängiges Vorgehen zu sein, verbunden mit dem arbeitgeberseitigen Hinweis, dass mit den so zur Verfügung gestellten Mitteln dann auch ausgekommen werden müsse. Hintergrund ist vielfach das Bestreben der Unternehmen, mit der Vereinbarung eines Budgets nicht mehr wegen jeder Spezialschulung in eine mögliche Kostendiskussion mit dem Betriebsrat zu geraten und so die damit im Zweifel verbundenen Kosten eines Rechtsstreits zu sparen.
Übrigens: Beispielsweise im Personalvertretungsgesetz für NRW findet sich eine explizite Regelung: „Dienststelle und Personalrat können sich im Rahmen eines Budgets über die voraussichtlich anfallenden notwendigen Kosten verständigen; der Personalrat entscheidet im Rahmen des Budgets eigenverantwortlich.“ (§ 42 Abs. 5 Satz 2 LPVG NRW). Verständigen also, aber nicht „deckeln“.
Was tun, wenn das Budget erschöpft ist?
Jetzt ist es nicht verboten, eine Vereinbarung zu einem solchen „Topf-Budget“ zu treffen. Allerdings: selbst wenn der Topf leer ist, heißt es nicht, dass dann keine Schulungen mit erforderlichen Inhalten (§ 37 Abs. 2, 6 BetrVG) besucht werden können. Denn das steht ja nicht zur Disposition, s. o.
Maßgeblich für den Schulungsbesuch ist allein, ob die Schulung die Voraussetzungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG erfüllt und der Betriebsrat einen ordnungsgemäßen Beschluss zur Entsendung des jeweiligen BR-Mitglieds gefasst hat. Ausführlich nachzulesen z. B. hier: www.poko.de/betriebsrat/schulungsanspruch-als-betriebsrat
Das bedeutet, dass eine solche Budget-Vereinbarung dann immer auch eine Regelung enthalten muss, wie bei aktuell erforderlichen (Spezial-)Schulungen zu verfahren ist, wenn das Jahres-Budget bereits aufgebraucht ist. Und das Budget muss im absoluten Minimum die Kosten von Grundlagenschulungen, in denen anerkannt unverzichtbares Grundlagenwissen vermittelt wird, enthalten (z. B. BetrVG I-III, Arbeitsrecht I-III). Ansonsten wären wir beim Thema Behinderung der Betriebsratsarbeit (arbeitgeberseits) bzw. Pflichtverletzung von BR-Mitgliedern (vgl. § 23 BetrVG) wegen Nichterfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben.
Und auch die Übernahme anderer – erforderlicher (!) – Kosten des Betriebsrats kann nicht mit dem Hinweis auf ein aufgebrauchtes Budget abgelehnt werden. Büromittel, Literatur, technische Ausstattung, Hinzuziehung von Sachverständigen – oder was eben gerade erforderlich ist.
Um im Bild zu bleiben: Wenn der normale Topf leer ist, aber es irgendwo thematisch brennt, dann muss eben der Feuertopf benutzt werden.
Was tun bei überschüssigem Budget?
Dann noch ein Gedanke: Es gibt regelmäßig Fallgestaltungen, in denen Betriebsräte zum Ende des Geschäfts-/Kalenderjahrs ihr Budget noch nicht aufgebraucht haben. Und dann passiert oftmals folgendes: Da über Kosten ja nicht mehr verhandelt wird, werden Schulungen besucht oder andere Ausgaben getätigt, ohne dass „so richtig“ über die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nachgedacht werden muss. Denn das Geld ist ja da. Was auch nicht im Sinne der Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes ist.
Um dem entgegenzuwirken sollten in Budget-Vereinbarungen auch immer entsprechende Regelungen mit aufgenommen werden, was in solchen Fallkonstellationen geschieht. Denkbar wäre eine schlichte Übertragung in das Folgejahr oder eine andere Regelung, die diesem „Nichtverbrauch“ auch wertschätzend Rechnung trägt. Insbesondere nicht durch Kürzung des Budgets des Folgejahres. Und: Wertschätzung ja, aber natürlich ohne sich in den Bereich der verbotenen „Begünstigung“ zu begeben!
Wenn Budget-Vereinbarung, dann klare, rechtskonforme und praxistaugliche Regelungen!
Sollten Sie also in der Lage sein, eine valide Prognose für die voraussichtlich anfallenden Betriebsratskosten für ein Kalender- oder Geschäftsjahr abzugeben (woran es schon regelmäßig scheitern dürfte), können Sie also ein Budget mit dem Arbeitgeber vereinbaren. Wichtig ist, dass Budgetvereinbarungen klare Regelungen enthalten, insbesondere zu den folgenden Punkten:
- Laufzeit bzw. konkreter Bezug auf welches Geschäftsjahr
- Wie werden Kosten für Grundlagenschulungen geregelt?
- Was passiert bei zusätzlich erforderlichen (Spezial-)Schulungen außerhalb des Budgets?
- Was geschieht mit nicht verbrauchten Mitteln am Jahresende?
Zu diesem Thema wie auch anderen wichtigen Fragen vgl. Sie unsere Informationen unter „Betriebsrat-Know-How“.
Und wer grundsätzlich sein Wissen zum BetrVG auffrischen möchte (oder muss), dem empfehle ich unser „Betriebsverfassungsrecht – Fresh up“. Übrigens auch als Inhouse-Seminar möglich – zu Ihren speziellen Fragestellungen.
Eine gute Zeit wünscht
Heike Holtmann, Ass. jur. & Mediatorin
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