Teilzeitbeschäftigte haben ab der ersten Überstunde denselben Anspruch auf Zuschläge wie Vollzeitbeschäftige. Eine Regelung, nach der Teilzeitbeschäftigte erst dann Überstundenzuschläge erhalten, wenn Sie die Arbeitszeit von Vollzeitkräften überschreiten, verstößt gegen das Diskriminierungsverbot, falls nicht ausnahmsweise sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Dies hat das BAG hat mit seiner ganz aktuellen Entscheidung vom 05.12.2024 klargestellt (Az. 8 AZR 370/20).
Autor: <span>Heike Holtmann</span>
Der Betriebsrat hat bezüglich der Vergütungsanpassung von freigestellten BR-Mitgliedern kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG, so die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.11.2024 (Az. 1 ABR 12/23).
Das BAG stellte klar, dass die Anpassung der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder nicht als Ein- oder Umgruppierung im Sinne von § 99 BetrVG zu bewerten ist. Denn ein vollständig freigestelltes Betriebsratsmitglied erhalte keine Entlohnung für erbrachte Arbeit, sondern eine Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip nach § 37 Abs. 4 BetrVG. Diese muss der Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer entsprechen, um Benachteiligungen durch die Amtsübernahme zu vermeiden.
Na, das erklär mal deinen Kindern. Ich sage „Ihr könnt Chips und Cola bekommen“, die Augen strahlen – hey, heute ein Feiertag! Dann aber erkläre ich, dass dies bedeutet: „Chips oder Cola“. Die Freude reduziert sich abrupt um die Hälfte. Das Verständnis für die Sprache der Erwachsenen und Klarheit von Regeln nähert sich dem Nullpunkt.
Aber: Bei der Auslegung von Gesetzestexten kann das aber so mal sein. Worte, die scheinbar eindeutig sind, werden durch Rechtsprechung neu interpretiert. Genau das zeigt ein BAG-Urteil vom 12.11.2024 (9 AZR 13/24). Im Fokus: das Konzernprivileg im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG). Hier entschied das Gericht, dass das „und“ in der Vorschrift wie ein „oder“ zu verstehen ist – eine scheinbar kleine Änderung mit großer Wirkung. Quelle: Pressemitteilung Nr. 30/24 des BAG vom 12.11.2024 zum Urteil 9 AZR 13/24 (Vorinstanz: LAG, Urteil vom 9. November 2023 – 5 Sa 180/23).
Das Konzernprivileg im AÜG: Was ist das?
Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer*in kommt nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer*in aus einem der in § 9 Abs. 1 AÜG aufgeführten Gründe unwirksam ist. Zum Beispiel bei fehlender Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung.
Das Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG erlaubt als Ausnahmeregelung die Überlassung von Arbeitnehmer*innen innerhalb eines Konzerns, ohne die strengen Vorgaben des AÜG einhalten zu müssen. So können Konzerne flexibler auf interne Personalbedarfe reagieren. Doch das Privileg hat Grenzen: Der Arbeitnehmende darf nicht „zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt“ werden.
Was bedeutet „und“? BAG erläutert Sinn und Zweck der Regelung
Aber: Sind beide Bedingungen – „Einstellung“ und „Beschäftigung zum Zweck der Überlassung“ – erforderlich, oder reicht schon eine von beiden, um das Konzernprivileg auszuschließen? Das BAG führte aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das „und“ als „oder“ zu verstehen ist.
Damit greift das Konzernprivileg nicht, wenn der Arbeitnehmende entweder
- zum Zweck der Überlassung eingestellt oder
- zum Zweck der Überlassung beschäftigt wurde.
Diese Klarstellung hat weitreichende Konsequenzen, besonders für langfristige Überlassungen innerhalb von Konzernen.
Der Fall: Langfristige Überlassung ohne Perspektive für eine andere Tätigkeit
Im zu entscheidenden Fall war der Kläger von 2008 bis 2020 bei der S-GmbH angestellt, arbeitete aber ausschließlich auf dem Werksgelände eines anderen Konzernunternehmens. Die Tätigkeit erfolgte über viele Jahre hinweg unter den Weisungen der Beklagten. Der Kläger argumentierte, dass er faktisch und unter Verletzung der Vorgaben des AÜG wie ein Leiharbeitnehmer eingesetzt wurde und zwischen ihm und der Beklagten daher ein Arbeitsverhältnis entstanden sei (§ 10 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 AÜG). Die Beklagte berief sich auf das Konzernprivileg, das nach seiner Ansicht greife, da der Kläger nicht „zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt“ worden sei. Die Vorinstanzen gaben der Beklagten recht – doch das BAG widersprach.
Die Entscheidung: „Und“ heißt „oder“
Das BAG stellte klar, dass die Konjunktion „und“ in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG keine kumulative Bedingung darstellt, sondern alternativ zu verstehen ist. Bereits eine der beiden Voraussetzungen – Einstellung oder Beschäftigung zum Zweck der Überlassung – reicht aus, um das Konzernprivileg auszuschließen.
Bedeutend war im konkreten Fall, dass es sich um eine langfristige Überlassung ohne erkennbare Perspektive für eine andere Tätigkeit im Einstellungsunternehmen handelte. Dieser Umstand wurde vom BAG als starkes Indiz gewertet, dass die Beschäftigung gerade zum Zweck der Überlassung erfolgt.
Ein Urteil mit Signalwirkung
Das Urteil des BAG verdeutlicht, dass es oft nicht reicht, den reinen Gesetzeswortlaut heranzuziehen. Wichtig ist auch immer, die Auslegung durch die (höchstrichterliche) Rechtsprechung zu kennen, um in der Praxis rechtlich abgesichert handeln zu können. Das Konzernprivileg, oft als Erleichterung für interne Konzernstrukturen verstanden, ist in dieser Deutung eben keine pauschale Freikarte für jede Form der Arbeitnehmerüberlassung.
Oder, um es mit Blick auf Kinderlogik zu sagen: Wenn „und“ auch „oder“ bedeutet, muss man umso genauer aufpassen, was wirklich gemeint ist.
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Eine gute Zeit wünscht
Heike Holtmann, Ass. jur. & Mediatorin
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