Das Tarifeinheitsgesetz regelt, was passiert, wenn in einem Betrieb mehrere Tarifverträge gelten. Konkret legt es fest, dass im Falle einer Kollision unterschiedlicher Verträge, der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft im Betrieb Anwendung findet. Besonders kleinere Gewerkschaften sahen sich durch diese Gesetzesregelung benachteiligt und hatten vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt.
Was sagt das Bundesverfassungsgericht?
Mit Urteil vom 11.07.2017 hat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden, dass die Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar seien und in Kraft bleiben. Die Auslegung und Handhabung des Gesetzes müsse allerdings die grundrechtlich geschützte Tarifautonomie berücksichtigen. Einzelne noch offene Fragen müssen von den Fachgerichten entschieden werden.
Nicht verfassungsgemäß sei das Gesetz jedoch insoweit Vorkehrungen dagegen fehlen, dass die Belange der Beschäftigten bestimmter Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge vernachlässigt werden. Da sei der Gesetzgeber gefordert, Abhilfe zu schaffen und bis Ende 2018 nachzubessern. Das Gesetz bleibt mit dieser Maßgabe jedoch weiterhin anwendbar.
Grundsätzlich beeinträchtige der Verlust des Tarifvertrags das Grundrecht der Koalitionsfreiheit, sagte der stellvertretende Verfassungsgerichtspräsident bei der Urteilsverkündung. Dennoch sei der Gesetzgeber befugt, Strukturen zu schaffen, „die einen fairen Ausgleich der Interessen aller Arbeitnehmer eines Betriebs hervorbringen.“
Was bedeutet das in der Praxis?
Grundsätzlich ein Erfolg für Ministerin Nahles und eine Niederlage für kleinere Gewerkschaften. Diese fürchten nun einen Verdrängungswettbewerb und eine Aushöhlung des Streikrechts. Die Bundesregierung hingegen will mit dem Gesetz aufreibende Machtkämpfe zwischen unterschiedlichen Interessensvertretern verhindern. Alle Gewerkschaften sollen sich im Vorfeld an einen Tisch setzen und sich abstimmen. Idealerweise solle ein Streit dadurch vermieden werden.
Wie das Tarifeinheitsgesetz weiterhin in der Praxis angewandt werden kann, bleibt abzuwarten. Das Bundesverfassungsgericht hat das ohnehin nicht besonders gut strukturierte Gesetz eher noch weiter verwässert, als Klarheit zu schaffen. Das Konfliktpotenzial innerhalb der Unternehmen, aufgrund der häufig sehr unterschiedlichen Zielgruppen der Gewerkschaften und der damit verbundenen Interessenslagen, dürfte mit dieser Entscheidung jedenfalls eher größer geworden sein.
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