Endlich- Der Gesetzgeber erlaubt die Betriebsratssitzung per Skype und Videochat!
Ich gebe zu, liebe Leserinnen und Leser, dass ich Sie mit dieser Überschrift – ohne zu lügen – etwas in die Irre führen wollte. Tatsache ist, dass sich viele Betriebsräte genau das wünschen. Gerade für Gesamt- oder Konzernbetriebsräte hätte eine Sitzung mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologie (kurz: IKU) deutliche Vorteile. Zeitnahe Sitzungen wären jederzeit möglich, lange Anfahrtswege könnten entfallen und die Arbeit auf dem Schreibtisch müsste nicht unendlich lange liegen bleiben. Sogar der Arbeitgeber würde sich über die gesparten Reise- und Personalkosten freuen. Auch technisch gesehen sind Videokonferenzen zwischen verschieden Betriebsstätten oder Betrieben heutzutage kein Problem mehr.
Fest steht aber auch, dass Beschlussfassungen per Video mit dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit nur schwer zu vereinbaren sind. Gleiches gilt für das schriftliche Umlaufverfahren, für Telefonkonferenzen oder für Beschlüsse per E-Mail. Anders als bei einer persönlichen Betriebsratssitzung kann hier nicht gewährleistet werden, dass Dritte außerhalb des Sichtbereichs der Kamera die Sitzung mitverfolgen oder sogar mitschneiden. Zudem kann eine Videokonferenz niemals die menschliche Kommunikation (Mimik, Gestik) in ihrer ganzen Vielfalt abbilden. Es besteht die Gefahr, dass es mangels persönlichen Austausches zu Fehleinschätzungen bei den Gremiumsmitgliedern kommt.
Also habe ich doch gelogen? Nicht ganz. Tatsächlich hat der Gesetzgeber am 2.6.2017 eine Änderung zum Europäischen Betriebsrätegesetz (EBRG) verabschiedet. Zukünftig wird eine Teilnahme an Sitzungen mittels IKU erlaubt sein, sofern dies in der Geschäftsordnung vorgesehen und die Vertraulichkeit des Inhaltes der Sitzung gewährleistet ist. Der Haken an der Sache ist, dass diese Regelung nur für Europäische Betriebsräte und für Seebetriebsräte gilt.
Wer sich also schon gefreut hatte, ist jetzt vermutlich enttäuscht – zumindest, wenn er nicht einem Europäischen Betriebsrat oder einem Seebetriebsrat angehört. Allerdings hat der Gesetzgeber einen ersten Schritt in Richtung Technisierung der Betriebsratssitzungen getan. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber diesen Weg weitergeht. Denkbar wäre auch, dass irgendwann die Durchführung von Betriebsratswahlen mittels IKU erlaubt wird. Keine einfache Entscheidung für den Gesetzgeber. Belässt er alles beim Alten, setzt er sich der Kritik aus, lebensfern den technischen Fortschritt zu verschlafen, während sich bei jeder Neuregelung die Frage stellt, wie die Sitzungen weiter geheim bleiben können. In jedem Fall sind Widerstände gegen eine weitere Aufweichung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit vorprogrammiert.
Vielen Dank für den Artikel.
Meine Meinung und meine Erfahrung bzw. wie wir es in unserem Gremium dazu halten dazu:
Den Artikel hier mit einer solchen reißerischen Schlagzeile zu beginnen, sehe ich gespalten. Darmaturgisch hat man sicherlich die Aufmerksamkeit, aber wer ließt den schon noch lange Texte im Internet genau durch?
In unserem GBR Gremium treffen sich die Ausschüsse und Arbeitsgruppen per IKU. Mit dem AG haben wir eine Absprache dazu. In den GBR Sitzungen, die wir persönlich abhalten liefert dann jeder Ausschuss – egal ob Abschlussmandat oder nicht- seinen Rechenschaftsbericht ab und etwaige IKU-Beschlüsse werden nochmals per Handhebung nachgereicht. So fühlen wir uns im Nachgang sicher. Der AG weiß, wenn er einen IKU-Beschluss einmal anfechtet, fangen wir an zu reisen und die Dinge dauern dann länger und kosten mehr. Seit Jahren fahren wir damit gut.
Die Aussagen im Bericht sind nicht ganz richtig und müssen angepaßt werden!
Die Ausnahme gibt es nur für Mitglieder des Europäischen BR, dasbei sollen Europäische Betriebsräte, die auf Seeschiffen arbeiten, ihre Sitzungen auch per Videokonferenz abhalten können !
Vielen Dank zunächst für Ihren Hinweis!
Damit haben Sie natürlich Recht, die Formulierung in unserem Blogbeitrag ist missverständlich.
Die Ausnahme gilt – wie Sie richtig feststellen – ausschließlich für Europäische Betriebsratsmitglieder, welche sich auf See (oder in einem anderen Land als dem befinden, in dem die Rederei ihren Geschäftssitz hat).
Dies ist § 41 a des Europäischen Betriebsräte-Gesetzes (EGBR) zu entnehmen:
„Befindet sich ein Besatzungsmitglied auf See oder in einem Hafen, der sich in einem anderen Land als dem befindet, in dem die Reederei ihren Geschäftssitz hat, und kann deshalb nicht an einer Sitzung nach Absatz 1 teilnehmen, so kann eine Teilnahme an der Sitzung mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgen, wenn
1.
dies in der Geschäftsordnung des zuständigen Gremiums vorgesehen ist und
2.
sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.“
Aufgrund der aktuellen Corona-Krise ist es wahrscheinlicher denn je, dass diese Ausnahme zukünftig erweitert wird. Klarheit kann jedoch nur eine gesetzliche Regelung bringen, es bleibt also spannend!