Wie hat sich die Betriebsratsarbeit in der Coronazeit entwickelt? Welche Themen sind in den Vordergrund gerückt oder neu hinzugekommen? Hat die Arbeitsbelastung für Betriebsrät*innen zugenommen? Wie hat sich in dieser Krisenzeit das Verhältnis zur Belegschaft und zum Management verändert?
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat im Jahr 2021 Betriebs- und Personalrätebefragungen bei rund 3900 Betrieben und Dienststellen durchgeführt. Die WSI-Forscher, Martin Behrens und Wolfram Brehmer haben die Daten ausgewertet und ihre neue Studie zur „Betriebs- und Personalratsarbeit in Zeiten der Covid-Pandemie“ im Mai 2022 veröffentlicht.
Folgende pandemiebezogene Themen haben einen Großteil der Betriebsratsarbeit ausgemacht (Auflistung nach abnehmender Relevanz):
- Corona und die Folgen für den Betriebsablauf (88 Prozent der Betriebsräte und 93 Prozent der Personalräte hatten sich damit beschäftigt)
- Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung
- Mobile Arbeit und Homeoffice
- Neue Techniken und Digitalisierung
Durch diese pandemiebedingte Zusatzarbeit hat sich der Stresspegel von Betriebs- und Personalräten insgesamt erhöht:
- 56 Prozent der Betriebs- und Personalräte gaben an, dass die Belastungen gestiegen sind
- 39 Prozent der Befragten hielten die Belastungen für unverändert
- 5 Prozent der Befragten berichteten von einem Rückgang der Belastungen
Von besonders hohen Arbeitsbelastungen waren vor allem Betriebs- und Personalräte in Großbetrieben betroffen sowie in Unternehmen, die eine verstärkte Digitalisierung durchgeführt haben, die von Insolvenz bedroht waren und deren Vertriebs- und Lieferwege verändert werden mussten.
Die Arbeitsbedingungen der Betriebs- und Personalräte selbst mussten an das Distanzgebot angepasst werden. Die Betriebsrats- bzw. Personalratssitzungen fanden in folgenden Formen statt:
- 38-42 Prozent in Präsenz
- rund 34 Prozent als Videokonferenz
- 18 Prozent als Telekonferenz
- 11 Prozent in hybrider Form
Vor allem in Großbetrieben und in der Informations- und Kommunikationsbranche sowie in Finanz- und Versicherungsunternehmen wurden die Sitzungen besonders häufig in digitaler Form durchgeführt.
Betriebsversammlungen fanden in vielen Betrieben seltener statt. Anstatt im Schnitt 2,9 Versammlungen pro Jahr, waren es in der Corona-Zeit nur noch eine pro Jahr.
Laut Studie ist die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber insgesamt fast unverändert geblieben:
- 74 Prozent der Betriebsräte und 70 Prozent der Personalräte hielten diese für unverändert
- 15 Prozent der Betriebsräte und 18 Prozent der Personalräte erkannten eine Verbesserung
- 12 Prozent der Betriebs- und Personalräte sahen eine Verschlechterung
Eine Verschlechterung der Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber wurde zumeist da genannt, wo den Betriebs- und Personalräten keine Mitbestimmung ermöglicht wurde. 25 Prozent der Befragten, die nicht an der Einführung der neuen Infektionsschutzmaßnahmen beteiligt wurden, haben die Zusammenarbeit mit dem Management als stärker belastet angegeben. Das Verhältnis zum Arbeitgeber wurde auch dann als verschlechtert angegeben, wenn mobile Arbeit oder Homeoffice nicht oder nur von einem geringen Teil der Belegschaft genutzt werden konnte.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Coronakrise die Betriebsratsarbeit bereits tiefgreifend verändert hat und auch zukünftig dauerhaft verändern wird. Insbesondere die durch die Pandemie beschleunigten Digitalisierungsprozesse müssen langfristig begleitet werden und das mobile Arbeiten wird vielerorts Teil der neuen Arbeitswelt bleiben.
Die Betriebs- und Personalräte werden sich mit der Erarbeitung von Regeln für die Arbeit im Homeoffice auseinandersetzen müssen und an der Entwicklung neuer Konzepte für den Kontakt mit Beschäftigten im Homeoffice beteiligt werden.
Damit Betriebs- und Personalräte diese Zusatzbelastungen leisten können und ihre Handlungsfähigkeit gestärkt wird, schlagen die WSI-Forscher vor, dass die Freistellung von Betriebsräten ausgebaut wird und sie einen leichteren Zugang zu Beratungen und zu externen Sachverständigen sowie bessere personelle Unterstützung für ihre Bürotätigkeiten erhalten.
Die Studie finden Sie hier.
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