Inklusion in Gefahr? Besorgter Blick auf die Politik

Bild erstellt mit Unterstützung von KI (ChatGPT / DALL·E)

Am 5. Mai 2025 fand zum 34. Mal der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung statt. Überall in Deutschland beteiligten sich Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen mit Aktionen an diesem Tag – mit dem Ziel, Barrieren sichtbar zu machen und echte Teilhabe einzufordern. Die Bedeutung dieses Aktionstags unterstreicht eine aktuelle Umfrage von Aktion Mensch: Menschen mit Behinderung blicken mit wachsender Verunsicherung auf die gesellschaftliche und politische Entwicklung nach der Bundestagswahl.

Was denkt die Teilhabe-Community?

Die Befragung wurde von Ipsos im Auftrag von Aktion Mensch durchgeführt. Sie richtete sich ausschließlich an Mitglieder der sogenannten Teilhabe-Community – ein Online-Panel, das sich ausschließlich aus Menschen mit Behinderung zusammensetzt und aktuell rund 900 aktive Teilnehmende zählt. Die Erhebung erfolgte in zwei Phasen: vom 28. Februar bis 4. März 2025 mit 407 Teilnehmenden und vom 15. bis 22. April 2025  mit 457 Teilnehmenden. Die hohe Beteiligung und gezielte Auswahl erlauben einen authentischen Einblick in die Stimmungslage vieler Betroffener.

Große Unzufriedenheit mit der politischen Entwicklung

Die Ergebnisse sind deutlich – und alarmierend:

  • 70 % der Befragten sind unzufrieden mit dem Wahlausgang.
  • Nur 20 % glauben, dass die neue Bundesregierung Inklusion erfolgreich umsetzen wird.
  • 74 % befürchten, dass das Thema an Bedeutung verliert – ein Anstieg um 7 % gegenüber der Zeit vor der Wahl.

Viele Menschen mit Behinderung befürchten, dass Teilhabe künftig als „Luxus“ angesehen wird – und nicht als das, was sie ist: ein Grundrecht.

Drei Forderungen stehen im Mittelpunkt

Die Umfrage zeigt auch, was den Befragten besonders wichtig ist. Drei Anliegen wurden besonders häufig genannt:

  • Stabile soziale Sicherungssysteme (48 %) – vor allem Bürgergeld und Krankenversicherung
  • Mehr barrierefreier Wohnraum (42 %)
  • Bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt (39 %)

Diese Forderungen sind nicht neu – sie finden sich bereits in der UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland 2009 ratifiziert hat. Dass sie heute immer noch eingefordert werden müssen, zeigt, dass die Umsetzung im Alltag vieler Menschen noch nicht angekommen ist.

Was bedeutet das für betriebliche Interessenvertretungen?

Barrierefreiheit und Inklusion sind keine reinen „Gesellschaftsthemen“ – sie betreffen auch die Arbeitswelt ganz konkret. Gerade Betriebsräte und Vertrauenspersonen können hier viel bewirken:

  • Arbeitsplätze barrierefrei gestalten – Mitbestimmung bei technischen und organisatorischen Maßnahmen
  • Gleichstellung fördern – durch aktive Unterstützung bei Bewerbungsverfahren, Einstellungen und Qualifizierungen
  • Diskriminierung verhindern – etwa bei Leistungsbeurteilungen, Beförderungen oder der Gestaltung von Arbeitszeitmodellen

Die in der Umfrage geäußerten Sorgen zeigen, dass viele Menschen mit Behinderung gerade im Arbeitsleben strukturelle Benachteiligung erleben. Interessenvertretungen sollten das ernst nehmen – und aktiv ansprechbar sein.

Politisches Interesse trotz Misstrauen

Ein besonders starkes Signal aus der Umfrage: 94 % der Befragten haben an der Bundestagswahl teilgenommen. Trotz Frustration und Enttäuschung ist die demokratische Beteiligung hoch. Das zeigt: Die Community will mitreden und gehört werden.

Inklusion geht uns alle an – auch im Betrieb

Die Ergebnisse der Umfrage sind ein Weckruf – für Politik, Gesellschaft und Arbeitswelt. Sie zeigen klar: Viele Menschen mit Behinderung fühlen sich in Bereichen wie Wohnen, Arbeit und sozialer Absicherung ungenügend berücksichtigt. Gerade Interessenvertretungen haben hier eine wichtige Rolle: als Ansprechpartner*innen, als Unterstützende und als aktive Mitgestalter*innen betrieblicher Teilhabe.

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