Resilienz – das Allheilmittel?
Das Stresslevel vieler Beschäftigter in den Unternehmen steigt. Gründe dafür liegen u. a. in der Arbeitsverdichtung und -zunahme, schlechter Führung, dauernder Umstrukturierung sowie der wachsenden Unsicherheit. Mit dem Stress steigen auch die Erschöpfungs-krankheiten wie Burn-out und Depressionen. Sie sorgen für psychisch bedingte Arbeitsausfälle, die sich seit langem auf einem sehr hohen Niveau bewegen. Als möglicher Ausweg wird die individuelle Resilienz gesehen.
Resilienz ist in aller Munde, aber was versteht man eigentlich darunter?
Resilienz ist die Fähigkeit zu Belastbarkeit und innerer Stärke. Sie ist die Eigenschaft, auch nach elementaren Krisen rasch in einen seelischen Normalzustand zurückzukehren, wobei man von einer Fähigkeit ausgeht, die prinzipiell jeder erlernen und trainieren kann. *
Die Beschäftigten selbst sind gefordert
Arbeitnehmer sollen also durch Verbesserung ihrer persönlichen Krisenfestigkeit psychischen Erkrankungen vorbeugen sowie produktiv und leistungsfähig bleiben. Es wäre allerdings zu kurz gedacht, das Problem nur auf den einzelnen Beschäftigten abzuwälzen. Auch die Unternehmen selbst haben eine Verantwortung. Sie müssen die Ursache für den arbeitsbedingten Stress ermitteln, um sie anschließend strukturell zu bekämpfen. Das wird leider häufig außer Acht gelassen.
Liest man einschlägige Literatur zur „Kunst der Krisenfestigkeit“ wird oft der Eindruck vermittelt, dass man es zu einem großen Teil selbst in der Hand hat, wie belastbar man derzeit ist und zukünftig sein wird. Es wird oft davon gesprochen, dass man Stresssituationen eher spielerisch nehmen solle, als sich von ihnen runterziehen zu lassen. Denn Krisen und Rückschläge würden uns stärken und ließen uns wachsen. Das ist das, was viele Beschäftigte in Seminaren lernen, zu denen sie vom Arbeitgeber geschickt werden. Der Druck auf die Mitarbeiter, die es dann allerdings aus eigener Kraft nicht schaffen, arbeitsbedingte Stressbelastung zu kompensieren, wird dadurch noch größer.
Ohne Krisen gibt es natürlich auch keine Resilienz. Selbstverständlich sind widerstandfähige Menschen durch ihre emotionale Flexibilität in Stresssituationen deutlich im Vorteil. Sie schaffen es, objektive Belastungsfaktoren in subjektive Wachstumsgelegenheiten umzuwandeln. Nicht zuletzt deswegen ist Resilienz in zahlreichen Unternehmen bereits ein Schlüsselkriterium bei der Personalauswahl.
Die Unternehmen selbst gehen sehr unterschiedlich mit Krisen um. Ihre organisationale Resilienz entscheidet häufig über die Wettbewerbsfähigkeit und das Überleben. Und ein Betrieb, der resiliente Mitarbeitende hat, meistert katastrophale äußere Bedingungen besser. Allerdings bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass widerstandsfähige Unternehmen die psychische Gesundheit ihrer Beschäftigten schonen. Einen guten Jahresabschluss zu erzielen, muss für die individuelle Stressbilanz keineswegs von Vorteil sein – im Gegenteil.
Rahmenbedingungen von Arbeit
Daher muss die Verantwortung der Unternehmen für die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden im Blick behalten werden. Das betriebliche Gesundheitsmanagement muss sich verstärkt um die Arbeitsbedingungen kümmern. Stärker in den Fokus genommen werden müssen z. B. die Personaldecke, Arbeitszeiten und -mengen und auch die Führungsstile.
Die europäische Arbeitsschutzlinie schreibt die systematische Erhebung des Auftretens und der Ursachen psychischer Fehlbelastung im Betrieb vor. Es reicht daher nicht aus, sich auf der Resilienz der Beschäftigten auszuruhen, sondern es muss an den Ursachen des Stresses sowie der Prävention gearbeitet werden. Betriebliche Rahmenbedingungen dürfen nicht in Stein gemeißelt sein. Sie müssen so gestaltet werden, dass sie Beschäftigte nicht belasten.
Daran sind Sie als Betriebsrat maßgeblich beteiligt. Es ist eine Ihrer wichtigsten Aufgaben.
*Verwendete Literatur: Stangl, W. (2021). Stichwort: ‚Resilienz – Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
Unser Tipp: Seminare zum Gesundheitsschutz, psychosozialem Stress, Sucht
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