Verschwörungsglaube: Eine Gefahr auch für die Arbeitswelt

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Verschwörungstheorien haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Besonders in Krisenzeiten finden sie verstärkt Anklang, da sie einfache Erklärungen für komplexe gesellschaftliche und politische Herausforderungen liefern. Die im Februar 2025 veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung untersucht die Verbreitung des Verschwörungsglaubens in Deutschland sowie international und gibt Empfehlungen, wie man diesem Phänomen begegnen kann. Für Betriebsräte ist dieses Thema besonders relevant, da Verschwörungserzählungen das Betriebsklima beeinflussen, die Glaubwürdigkeit demokratischer Strukturen untergraben und zu Spaltung innerhalb der Belegschaft führen können.

 

Wie verbreitet ist Verschwörungsglaube?

Laut der Studie ist der Anteil der Verschwörungsanfälligen in Deutschland leicht zurückgegangen. Während 2022 noch 22 % der Bevölkerung an Verschwörungsmythen glaubten, liegt dieser Anteil 2024 bei 19 %. Dennoch bleibt das Problem bestehen: Jede*r Fünfte in Deutschland ist für Verschwörungstheorien empfänglich, und die Unsicherheit in Krisenzeiten könnte diesen Anteil wieder steigen lassen. Besonders in Spanien und Polen sind die Werte mit über 40 % deutlich höher.

Auch im betrieblichen Kontext kann Verschwörungsglaube für erhebliche Herausforderungen sorgen. Wenn Mitarbeitende sich zunehmend von etablierten Informationsquellen abwenden und stattdessen auf alternative, oft unseriöse Kanäle zurückgreifen, kann das die betriebliche Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung erschweren. Desinformation und Misstrauen gegenüber demokratischen Strukturen können nicht nur die innerbetriebliche Kommunikation belasten, sondern auch die Arbeit von Betriebsräten erschweren, wenn diese als Teil eines vermeintlichen „Systems“ wahrgenommen werden.

Warum glauben Menschen an Verschwörungstheorien?

Die Studie identifiziert mehrere zentrale Faktoren, die Verschwörungsglaube begünstigen:

  1. Politisches Misstrauen: Menschen, die der Politik misstrauen, sind besonders anfällig für Verschwörungstheorien. In Deutschland misstrauen 48 % der Politik, was eine große Herausforderung für die Demokratie darstellt. Auch in Betrieben kann ein generelles Misstrauen gegenüber der Unternehmensleitung oder dem Betriebsrat die Grundlage für die Akzeptanz von Verschwörungsnarrativen schaffen.
  2. Gesellschaftliche Entfremdung: Wer sich ausgeschlossen oder ungerecht behandelt fühlt, neigt eher dazu, alternative Erklärungen zu akzeptieren. Besonders Menschen mit niedrigem Einkommen oder geringer Bildung sind anfälliger. In Betrieben kann dies bedeuten, dass sich insbesondere Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen oder mit schlechten Zukunftsperspektiven empfänglich für Verschwörungsideologien zeigen.
  3. Rassismus und Sündenbockdenken: Viele Verschwörungstheorien haben antisemitische oder antimuslimische Untertöne. In Deutschland zeigt sich eine enge Verbindung zwischen Verschwörungsglaube und solchen Vorurteilen. Im Arbeitsumfeld kann das dazu führen, dass bestimmte Gruppen von Kolleg*innen unter Generalverdacht gestellt oder diskriminiert werden, was das Betriebsklima erheblich belasten kann.
  4. Religiöse und spirituelle Orientierung: Menschen mit starkem religiösem oder spirituellem Glauben neigen häufiger zu Verschwörungstheorien, insbesondere, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Weltanschauung bedroht ist. Im Betrieb kann dies dazu führen, dass bestimmte Narrative, etwa zu Impfungen oder Maßnahmen im Gesundheitsmanagement, stärker verbreitet werden.
Was kann gegen Verschwörungsglaube getan werden?

Die Studie gibt konkrete Empfehlungen, um Verschwörungstheorien entgegenzuwirken und den gesellschaftlichen sowie betrieblichen Zusammenhalt zu stärken:

  • Politisches Vertrauen wiederherstellen: Transparente Kommunikation und bürgernahe Politik können helfen, das Vertrauen in demokratische Institutionen zu erhöhen. Für Betriebsräte bedeutet das, regelmäßig offene Gespräche zu führen, Anliegen ernst zu nehmen und Entscheidungsprozesse nachvollziehbar zu gestalten.
  • Bildung und Medienkompetenz fördern: Der Umgang mit Desinformation und die Fähigkeit, Fake News zu erkennen, sollten früh vermittelt werden. Betriebsräte können Schulungen zu Medienkompetenz und kritischem Denken anregen, um Mitarbeitende zu befähigen, Informationen besser einzuordnen.
  • Antisemitismus und Islamfeindlichkeit bekämpfen: Sensibilisierung und Aufklärung über menschenverachtende Narrative sind entscheidend. Im Betrieb kann dies durch Diversity-Schulungen und eine klare Positionierung gegen diskriminierende Äußerungen geschehen.
  • Religiöse Gemeinschaften einbinden: Offene, reflektierte religiöse Gemeinschaften können als Schutzschild gegen Verschwörungsglauben dienen. Betriebsräte können den Dialog zwischen verschiedenen Gruppen im Unternehmen fördern und den Austausch über gesellschaftliche Themen ermöglichen.
  • Soziale Begegnungsorte schaffen: Lokale und digitale Räume für Austausch und Dialog können Polarisierung entgegenwirken. Innerbetriebliche Veranstaltungen, Workshops und Teambuilding-Maßnahmen können helfen, die Zusammenarbeit und das Vertrauen unter den Kolleg*innen zu stärken.
Fazit

Die Studie zeigt, dass Verschwörungsglaube nicht nur ein Randphänomen ist, sondern eine reale Gefahr für den gesellschaftlichen und betrieblichen Zusammenhalt sowie die Demokratie darstellt. Eine offene, transparente und betriebsnahe Kommunikation sowie eine verstärkte Medien- und Bildungskompetenz sind Schlüsselstrategien, um diesem Trend entgegenzuwirken. Betriebsräte haben hier eine besondere Verantwortung, indem sie durch Aufklärung, Dialog und transparente Entscheidungsprozesse ein Umfeld schaffen, in dem Verschwörungsideologien weniger Anklang finden.

Weitere Details und umfassende Analysen sind in der vollständigen Studie der Bertelsmann Stiftung nachzulesen.

Zusätzlich empfehlen wir das Seminar „Kultursensible Haltung und Kommunikation, um den Umgang mit Diversität und interkulturellen Herausforderungen im Betrieb weiter zu verbessern.

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