Unser Rentensystem scheint nicht mehr zeitgemäß und für Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, Personen mit unterbrochenen Erwerbslebensläufen und mit geringem Einkommen nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Das Risiko der Altersarmut wird weiter steigen. Davon sind alleinstehende Frauen, Niedrigqualifizierte und Langzeitarbeitslose am stärksten betroffen.
Das ist das Ergebnis einer neuen Bertelsmann Studie, die insbesondere die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre, die ab 2022 in Rente gehen, in den Fokus genommen hat. In dieser Generation werde das Risiko der Altersarmut bis 2036 auf 20% steigen. Als armutsgefährdet gelten alle, deren monatliches Netto-Einkommen unter 958,00 € liegt.
Die Tatsache, dass die Armut steigt, ist schon schlimm genug. Kommt noch hinzu, dass die meisten aktuellen Reformvorschläge sie nicht stoppen können, denn leider gehen diese Vorschläge nicht exakt auf die Belange der besonders bedrohten Menschen ein. Auch die Grundsicherungsquote bei den „Babyboomern“ scheine weiter anzusteigen. Waren es 2015 noch 5,4% der Neurentner, die auf finanzielle staatliche Unterstützung angewiesen waren, wären es ab 2022 bereits 7%. Speziell bei alleinstehenden Frauen steige die Grundsicherungsquote zwischen 2015 und 2036 von 16 auf fast 28%. D. h. künftig werde bei jeder dritten Neurentnerin die Rente allein nicht für den Lebensunterhalt ausreichen.
Laut Studie sind es insbesondere zunehmende atypische Beschäftigungsverhältnisse, Tätigkeiten im Niedriglohnsektor und unterbrochene Lebensläufe, die zur steigenden Altersarmut beitragen. Zeitgleich sinke das Rentenniveau durch die demografische Entwicklung und die rentenrechtlichen Änderungen kontinuierlich. Die zum Ausgleich geschaffene private Altersvorsorge wirke aber nicht flächendeckend.
Zwar besagt die Studie, je höher das Bildungsniveau, desto niedriger sei die Wahrscheinlichkeit, auf Grundsicherung angewiesen zu sein – doch auch Abitur oder Uniabschluss schützen nicht pauschal vor Armut im Alter. Qualifikation und Bildungsgrad haben allerdings Einfluss darauf, wer potenziell mehr oder weniger betroffen sei.
Zwischen Ost- und Westdeutschland gebe es große Unterschiede in der Entwicklung der Grundsicherungsquote. In den ostdeutschen Bundesländern werde sie bis 2016 von 5 auf 11% steigen, in den westdeutschen Bundesländern hingegen nur leicht, von 5,5 auf 6%. Dies sei vor allem auf die Umbrüche am ostdeutschen Arbeitsmarkt nach der Wende zurückzuführen.
Fazit: Weitere Reformen für den Ruhestand seien dringend notwendig. Allerdings nur solche, die den veränderten Rahmenbedingungen der Arbeitswelt angepasst seien und nicht an der Wirklichkeit vorbei gehen. Viele Risikogruppen können bereits während der Erwerbstätigkeit mehr schlecht als recht von ihrem Gehalt leben. Ihnen werde eine Diskussion um Stabilisierung des Rentenniveaus nicht grundlegend weiterhelfen. Ihr Lebensstandard müsse bereits während des Berufslebens gesichert werden.
Angesetzt werden könne bei einer verstärkten, nachhaltigen Vermittlung von Risikogruppen in den Arbeitsmarkt. Weiterhin müsse die Arbeitsmarktpolitik dafür sorgen, dass Brüche im Erwerbsverlauf besser pro-aktiv abgesichert würden. Wohingegen das Alterssicherungssystem so umgebaut werden müsse, dass es besser vor Nullzinsphasen, ungleichmäßigen Erwerbsbiographien und niedrigen Einkommen schütze.
Die komplette Studie finden Sie hier
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