Schlagwort: <span>Interessenabwägung</span>

Die Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen einer ordentlichen Kündigung ist nicht immer einfach zu vermitteln. Vielleicht ist dieser nicht mehr ganz taufrische Fall aber hilfreich. Vorliegend gehts es um einen alkoholabhängigen Suchttherapeuten. Wer jetzt glaubt, dass dies ein Widerspruch an sich ist, der sollte bedenken, dass es durchaus sinnvoll sein kann, wenn der Therapeut über eigene Erfahrungen verfügt. Er sollte nur eben „trocken“ sein. Bei einem „untrockenen“ (der Begriff ist unfachmännisch – ich weiß) Therapeuten könnte es dann doch gegebenenfalls mal zu merkwürdigen Begebenheiten kommen. Dies dürfte nachvollziehbar sein. Ebenso werden Mobbing-Seminare auch nicht von erfahrenen Mobbern gehalten. Geschweige denn, dass hier ausgeklügelte Mobbingstrategien erarbeitet werden. Alles Gerüchte und völliger Unsinn. Das Thema ist im Übrigen viel zu wichtig, um darüber Späße zu machen. Doch zurück zu „unserem“ Therapeuten. Dieser war als Ergotherapeut im Bereich der sog. Arbeits- und Kreativtherapie tätig. Ziel dieser Therapie ist die Entwöhnung von Suchtmitteln. Der Kläger ist selbst „Alkoholiker“, was dem Beklagten -ein Verein, der eine Fachklinik für Suchterkrankungen betreibt- bei der Einstellung auch bekannt war. Allerdings ging man davon aus, dass der Kläger „trocken“ war. Ende 2006 kam es zu mehreren Rückfällen, auf die der Beklagte mit Abmahnungen reagierte. Von März bis April 2007 unterzog sich der Kläger einer stationären Entwöhnungsbehandlung, die aber letztlich erfolglos blieb. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Im Gütetermin einigte man sich auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und die Entfernung sämtlicher Abmahnungen aus der Personalakte. Der Kläger wurde im Mai 2009 abermals rückfällig, so dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht kündigte.

Das BAG hielt die fristlose Kündigung für unwirksam, da es vorliegend an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB fehlt. Tatsachen, aufgrund derer es dem Beklagten unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, lagen nicht vor. Anders lag der Fall aber bei der ordentlichen Kündigung. Diese hielt das BAG für gerechtfertigt, da der Kläger aufgrund seiner Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr biete, seine Tätigkeit auf Dauer ordnungsgemäß zu erbringen. Das BAG sah hier eine Gefahr für die Patienten, wenn diese erkennen, dass ihr Therapeut alkoholisiert ist. Auch die erforderlich negative Prognose hielt das BAG für gegeben, da der Kläger bereits in der Vergangenheit mehrfach rückfällig wurde. Auch die Interessenabwägung fiel zugunsten des Beklagten, also des Arbeitgebers, aus. Diesem sind die Belastungen, die durch die Alkoholabhängigkeit des Klägers entstehen, auf Dauer nicht zuzumuten. Insbesondere besteht ein erhebliches betriebliches Interesse daran, die dem Beklagten anvertrauten Suchtkranken nicht in die Hände eines Therapeuten zu geben, bei dem die ständige Gefahr besteht, dass dieser während seiner Arbeit unter Alkoholeinfluss steht.

Nachvollziehbar…

Das Urteil gibt es hier.

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte