Als Anwalt wird man schnell kreidebleich im Gesicht, wenn man die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage verpennt. Die Frist beträgt drei Wochen nach Zugang der Kündigung. So will es das Gesetz in § 4 KSchG. Die Frage ist nur, wann eine Kündigung zugegangen ist. Ich kenne da folgende Definition von Zugang: Eine Kündigung ist dann zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen Kenntnis nehmen kann. Wir müssen also im Grunde genommen nur zwei Fragen stellen: 1. Was ist der Machtbereich? und 2. Was sind gewöhnliche Umstände? Der Machtbereich ist nicht so schwierig. Zumindest in diesem Fall nicht. Wir nehmen einfach den Briefkasten. Aber was sind gewöhnliche Umstände? Und hier hilft uns das LAG Rheinland-Pfalz mit einem Urteil vom 10.10.2013 Az.: 10 Sa 175/13. Im vorliegenden Fall wurde einer Arbeitnehmerin die schriftliche Kündigung am 08.10.2012 um 11 Uhr durch Einwurf in den Briefkasten „zugestellt“. Die Arbeitnehmerin hatte ihren Briefkasten aber bereits am frühen Morgen kontrolliert und sah nun auch keine Veranlassung mehr, später nochmal in den Briefkasten zu schauen. Ein Verhalten, welches ich durchaus nachvollziehen kann. Also entgegnet sie dem Ganzen und sagt, dass sie die Kündigung erst am 09.10.2012 erhalten hat.
Anm. des Verfassers: Damit wäre ihre Kündigungsschutzklage noch innerhalb der drei-Wochen-Frist beim Arbeitsgericht eingegangen.
Das LAG Rheinland-Pfalz sieht die Sache aber anders. Dort spricht man „von gewöhnlichen Verhältnissen“, und dass bei einem Einwurf um 11.18 Uhr in den Hausbriefkasten durchaus noch davon ausgegangen werden kann, dass der Brief den Empfänger noch am gleichen Tag erreicht. Es spiele keine Rolle, dass die Klägerin (die Arbeitnehmerin) ihre Post üblicherweise am frühen Morgen kontrolliert, entscheidend sei vielmehr der Zeitpunkt, bis zu welchem das Austragen durch die Post üblicherweise abgeschlossen ist. Ok! Ergebnis: Frist verpennt.
Ich maße es mir selten oder besser gar nicht an, Urteile kritisch zu sehen. Doch in diesem Fall sei es mir mal vergönnt. Das LAG spricht im Urteil von stark variierenden Zustellzeiten bei der Post. Das mag stimmen, ist aber nicht immer so. Um diesem Problem zu begegnen ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren. Doch wo ist hier die Grenze? Bin ich jetzt also verpflichtet mehrmals am Tag zum Briefkasten zu rennen in der „Hoffnung“, die „heiß ersehnte Kündigung“ in den Händen zu halten? Meine Post ist jeden Tag spätestens um 09.30 Uhr im Briefkasten. Wie oft muss ich den jetzt kontrollieren? Muss ich auch um 18.00 Uhr noch mal nachschauen?
Fragen über Fragen. Vielleicht hätte die Klägerin die Frist zur Klageerhebung etwas großzügiger einplanen sollen. War sie anwaltlich vertreten? War der kreidebleich im Gesicht?
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