Hier mal wieder was für die JAV. Der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 78a Abs. 2 BetrVG anhand eines kleinen Falles aus der Praxis.
Betriebsrat 2024 Beiträgen
Der Pudel und die Friseurin – ArbG Bochum Urteil v. 06.02.2013 Az. 5 Ca 2180/12
Ich weiß einfach nicht, was man dieser Frau vorgeworfen hat. Doch zur Sache. Nachdem die Friseurin die Haare einer Kundin pink färbte, machte sie sich anschließend auf Wunsch der Kundin auch über den Pudel her und färbte seinen Schwanz ebenfalls pink. Die Chefin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Pfui, wie kann man nur. 🙂 Schließlich hat die Friseurin doch nur auf Wunsch der Kundin gehandelt. Das ArbG Bochum hatte für unsere Friseurin aber auch kein echtes Verständnis. Diese gab sich vor Gericht kleinlaut, was ihr aber auch nicht mehr half. Zumindest wurde die fristlose Kündigung wenigstens noch in eine ordentliche Kündigung umgewandelt. Zumindest ein kleiner Trost. Den Pudel hätte ich gerne mal gesehen. Bestimmt ein echter Punkpudel. Trotz aufwendiger Recherchen im Internet habe ich keinen Pudel mi einem pinken Schwanz gefunden. Vielleicht hätte ich an anderer Stelle suchen sollen… 😉
Arbeitszeugnis – Arbeitgeber trifft Beweislast für mittelmäßige Leistung
ArbG Berlin 28 Ca 18230/11
Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass durchschnittliche Arbeitszeugnisse die Regel sind. Durchschnittlich ist ein Zeugnis mit der Note „befriedigend“. So sollte man zumindest meinen und diesem Irrglauben war auch ich bis zu diesem Zeitpunkt erlegen. Wer was zu beweisen hat, ist dabei eigentlich ganz leicht nachvollziehbar. Ein überdurchschnittliches Arbeitszeugnis, also ein Zeugnis mit der Formulierung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ -das ist die Note „gut“- muss der Arbeitnehmer beweisen, ein unterdurchschnittliches Arbeitszeugnis dagegen der Arbeitgeber. Steht im Zeugnis, dass der Arbeitnehmer „zu unserer Zufriedenheit“ seine Leistungen erbracht hat, so ist das eine unterdurchschnittliche Bewertung. Wohlgemerkt, all dies vor dem Hintergrund, dass ein durchschnittliches Zeugnis die Regel ist. So ist es ja ach bei den Schulnoten. Die Note „befriedigend“ kommt statistisch gesehen am Häufigsten vor. Sollte sie zumindest. Doch was geschieht eigentlich, wenn sich die Notenvergabe verschiebt. Wenn also die Note „gut“ wesentlich häufiger vergeben wird, als die Note „befriedigend“. Ändert sich dann auch die Frage der Beweislast?
So sieht es zumindest das ArbG Berlin in einer Entscheidung vom 26.10.2012.
Nach dem heutigen Stand werden die Noten „sehr gut“ und „gut“ wesentlich häufiger vergeben (86,6 Prozent), als die Note „befriedigend“, die es nur noch auf 13,4 Prozent schafft. Damit ist doch offensichtlich, dass ein „befriedigend“ heutzutage nur noch eine unterdurchschnittliche Note ist. Das ArbG Berlin ist daher der Ansicht, dass dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für eine lediglich befriedigende Leistung trifft. Dem kann man kaum widersprechen. Vielleicht sollten die Noten nicht mehr so inflationär vergeben werden. Eine ähnliche Tendenz soll sich derzeit auch bei verschiedenen Studiengängen abzeichnen. Für die Rechtswissenschaften gilt das übrigens nicht. 🙂
Das Urteilgibt es hier.
Kündigung – Schlafen am Arbeitsplatz
LAG Hessen Urteil v. 05.06.2012 Az. 12 Sa 652/11
Wir kennen ihn alle. Der Betriebsklassiker. Der nette Kollege am anderen Ende der Leitung beendet das Gespräch mit einem freundlichen: „Schlaf weiter“. So lustig das auch ist, was passiert eigentlich, wenn wir tatsächlich mal einen sauberen Büroschlaf hinlegen?
So geschah es in einer Seniorenresidenz. Die Klägerin ist dort als Pflegehelferin beschäftigt. Im Jahr 2010 war sie wegen einer Lungenentzündung eine Woche arbeitsunfähig erkrankt. In ihrer ersten Arbeitsnacht nach der Genesung wurde sie um 0.30 Uhr und um 1.45 Uhr von Kolleginnen schlafend vorgefunden. Sie schlief in einem zurück geklappten Fernsehsessel und mit einem Kopfkissen unter dem Kopf. Die vorgeschriebenen Kontrollgänge um 23.00 Uhr, 2.00 Uhr und 5.00 Uhr hat sie dennoch ordnungsgemäß absolviert. Trotz alledem kündigte die Beklagte (die Arbeitgeberin) das Arbeitsverhältnis außerordentlich gem. § 626 BGB. Sie war der Auffassung, dass die Klägerin zumindest in der Zeit von 0.30 bis 1.45 Uhr durchgehend geschlafen habe und somit ihre Fürsorgepflicht gegenüber den älteren Bewohnern verletzt habe. Machen wir es kurz. Das LAG Hessen gab der Kündigungsschutzklage der Klägerin statt. Die Beklagte konnte nicht beweisen, dass die Klägerin in der fraglichen Zeit durchgängig geschlafen habe. Ebenso bestand laut Gericht keine Gefahr für die Bewohner, da die Klägerin einen möglichen Notruf jederzeit hätte hören können. Letztlich fehlte es im vorliegenden Fall auch an einer negativen Prognose. Also an der Frage, ob sich das Verhalten der Klägerin wiederholen könnte. Dies sah das LAG nicht so. Die Klägerin habe sich nach ihrer schweren Erkrankung noch schwach gefühlt und sich deshalb zum Ruhen niedergelassen. Es handele sich hierbei um eine individuelle Situation, die sich so nicht regelmäßig wiederholen wird. Ergebnis: Kündigung unwirksam. Na, ist doch richtig. Also, legt euch wieder hin. Und bitte nicht vergessen!! Bei Diesem Urteil handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung.
Das Urteil gibt’s es hier.
Burn-out – oder welchen Namen hat das Kind
Zugegeben, ich wage mich an ein Thema, von dem ich nichts verstehe. Ich bin Jurist, kein Psychotherapeut, kein Arzt oder was auch sonst immer. Halt einfach nur Jurist. Zu diesen Zeilen hat mich ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 31.01.2013 inspiriert. Ein „Land mit Phantomschmerzen“
http://www.sueddeutsche.de/karriere/debatte-um-burn-out-land-mit-phantomschmerzen-1.1587654
prangt in dicken Lettern über dem Artikel. Es geht um Burn-out. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich weiß nicht, was Burn-out ist. Ich glaube, man weiß es nur, wenn man es mal hatte. Und wer es hatte, der kann davon berichten. Vom Zustand völliger Erschöpfung, vom ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr. Ob all diese Menschen unter einem Phantom leiden? Ich weiß es nicht, glaube es aber auch nicht. Feststehen dürfte aber, das Burn-out -welchen Namen man dem Kind auch immer geben will- zunimmt. Doch Burn-out findet seine Ursache nicht allein im Arbeitsleben. Hinzu kommen weitere Faktoren außerhalb des Berufslebens. Ich habe in der Vergangenheit einige Vorträge zum Thema Burn-out gehört. Dort meldeten Sich Teilnehmer zu Wort, die Ihre Erfahrungen schilderten. So unterschiedlich diese Erfahrungen auch waren, so hatten sie doch eins gemein. Burn-out ist eine schwere, lang andauernde Erkrankung. Aber nicht alles und jedes ist Burn-out. Wer morgens nicht aus dem Bett kommt, weil er am Abend zuvor acht Halbe getrunken hat, der hat ein anderes Problem. Aber bestimmt keinen beruflich bedingten Erschöpfungszustand. Wusstet ihr übrigens, dass Männer seltener Burnout haben als Frauen. Jetzt wird jeder sofort denken, dass Männer einfach belastbarer sind. Nun, das ist es wohl nicht. Die Begründung ist viel einfacher. Des Rätsels Lösung liegt in den zuvor genannten acht Halben. Männer fangen an zu saufen. Das lässt den Stress vergessen. Ist aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Und hier sind wir wieder am Anfang. Leberschaden statt Burn-out. Nicht unbedingt eine echte Alternative. Wer die Wahl hat, der sollte sich für eine andere Variante entscheiden. Qualmende Autoreifen beim Ampelstart. Das nennt sich auch Burn-out. Doch die Wahl hat nicht jeder.
43% der Erwerbstätigen sind überzeugt, dass der Stress im Arbeitsalltag in den letzten zwei Jahren zugenommen hat.
Leiharbeitnehmer – Einsatz auf Dauerarbeitsplätzen begründet Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher
LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 09.01.2013 Az. 15 Sa 1635/12
Der Sachverhalt ist eigentlich ganz überschaubar. Ein konzerneigenes Verleihunternehmen verleiht Leiharbeitnehmer an einen Betreiber von Krankenhäusern, hier also der Entleiher. Das Verleihunternehmen ist natürlich auch im Besitz der nötigen Erlaubnis. Der Einsatz der Leiharbeitnehmer erfolgt auf Dauerarbeitsplätzen, für die keine Stammarbeitnehmer vorhanden sind. Letztlich also ein ganz gewöhnlicher Sachverhalt. Aber vielleicht eben doch nicht. Wo liegt hier also das Problem.
…ich hoffe nicht!
Urlaubsanspruch
– Entstehung auch bei ruhendem Arbeitsverhältnis.
LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 06.12.2012 Az. 4 Sa 173/12
Wie entstehen Urlaubsansprüche? Nun, in der Regel durch einen Vertrag (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag). Die viel entscheidendere Frage aber ist, wofür ist Erholungsurlaub überhaupt da. Vereinfacht gesagt dient Erholungsurlaub dem Arbeitnehmer dazu, sich von der Arbeit zu erholen. Daher auch „Erholungsurlaub“. Doch wie sieht es aus, wenn ich gar nicht arbeite. Habe ich dann auch Anspruch auf Erholungsurlaub? Ja, sagt das LAG Schleswig-Holstein. Für das entstehen des Urlaubsanspruchs nach dem Bundesurlaubsgesetz ist allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Das tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht wird, ist nicht Bedingung.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Kündigungsschutz und Leiharbeitnehmer BAG Urteil v. 24.01.2013 Az. 2 AZR 140/12
Bei der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes sollen nunmehr auch Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden, sofern ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebietet eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KschG gilt das Kündigungsschutzgesetz für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Berücksichtigt wurden dabei bisher nur die Arbeitnehmer, die in einem Vertragsverhältnis mit dem Arbeitgeber standen. Dies ist bei Leiharbeitnehmern nicht der Fall. Diese haben einen Arbeitsvertrag mit dem Verleiher.
Das Bundesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Kündigungsschutzgesetz der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe stärker belastet. Dies rechtfertigt keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.
Vereinfacht gesagt: Wenn du dir schon regelmäßig teure Leiharbeitnehmer leisten kannst, genießt du auch nicht den Schutz eines Kleinbetriebes. Vielmehr genießen deine Arbeitnehmer dann den vollen Kündigungsschutz. Dagegen lässt sich doch nichts einwenden. Die Arbeitgebervertreter sehen das bestimmt anders. Bin mal gespannt, was da noch kommt.
Pressemitteilung des BAG gibt’s es hier.
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