Betriebsrat Beiträge

HandschlagUmgangsformen sind wichtig. Das haben uns schon unsere Eltern beigebracht – den meisten von uns jedenfalls. Freundlich grüßen, sich vorstellen, Hände schütteln…so ist das formelle Prozedere, wenn wir einen Raum betreten. Ist der Handschlag jedoch wirklich notwendig und überhaupt sinnvoll? Oder ist er einfach nur typisch deutsch?

Als vor einiger Zeit der Fall eines jungen Muslims durch die Presse ging, der seiner Lehrerin den Handschlag verweigerte, war die öffentliche Empörung groß. Der Muslim begründete dies mit seiner Religion, dass er Frauen nicht berühren möchte, was keineswegs respektlos sei, sondern von Respekt zeuge, weil er ihnen keine Berührung aufzwängen möchte. Denn diese fänden sie möglicherweise unangenehm. Eine abwertende Geste sei dies keineswegs.

Viele Ärzte oder Mitarbeiter im Gesundheitswesen verzichten auch auf den Handschlag, denn dadurch werden viele Krankheitserreger übertragen. Und der Handschlag ist sicherlich nicht die einzige Art, sich freundlich und respektvoll zu begrüßen: Franzosen und Südeuropäer geben sich ein Küsschen (oder auch 2 oder 3), die Japaner umarmen sich und manch einer lächelt einfach nur freundlich und legt die Hand aufs Herz.

Können wir im Zeitalter der Globalisierung wirklich verlangen, dass man sich in Deutschland zur Begrüßung die Hände zu schütteln hat? Ein Recht auf Händeschütteln gibt es schließlich nicht – im Gegensatz zu bestimmten Rechten aus dem Allgemeinen Gleichhandlungsgesetz (AGG). Dort steht, dass niemand z.B. aufgrund seines Geschlechts benachteiligt werden darf, wenn er z.B. Arbeitsverträge abschließt. Wenn allerdings ein Schüler seiner Lehrerin nicht die Hand schüttelt hat das keine rechtlichen Auswirkungen und kann deshalb auch nicht geahndet werden.

In unserem Grundgesetz steht, dass jeder seine Religion frei ausüben darf. Wenn dadurch niemand gestört wird, sollte grundsätzlich auf religiöse Empfindungen Rücksicht genommen werden. Und unser Grundgesetz sieht auch keine strikte Trennung zwischen Staat und Religion vor, Religionsgemeinschaften dürfen sich im öffentlichen Leben einbringen.

Arbeitsrechtlich ist aber nach wie vor nicht abschließend geklärt, ob der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, einem Angestellten zu kündigen, wenn dieser den Handschlag aus religiösen Gründen verweigert. Dazu müsste auch definiert werden, für welche Berufe ein Handschlag zwingend erforderlich ist, oder ob nicht ein verbaler Gruß verbunden mit einem Lächeln ausreichend sei. Dies dürfte schwierig sein. Schließlich kann der Arbeitgeber ggf. auch die Möglichkeit einer Versetzung in einen Arbeitsbereich ohne Kundenkontakt prüfen.

Hand aufs Herz: Ist es nicht eigentlich egal, wie wir uns begrüßen – Hauptsache es ist respektvoll und freundlich?

Allgemein

mitbestimmungSeit 40 Jahren gibt es in Deutschland das Mitbestimmungsrecht, das die Vertretung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten regelt. Die Arbeitnehmer können dadurch die Entscheidungen der Vorstände kontrollieren, prägen und in begrenztem Umfang beeinflussen. Wie denken die Führungskräfte sowie Vorstände und Geschäftsführer heute über das Mitbestimmungsrecht? Der Berufsverband „Die Führungskräfte – DFK“ hat dazu eine Befragung von 1.040 Führungskräften durchgeführt.

Sage und schreibe 93% der Führungskräfte halten die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat für sinnvoll. Unter den Vorständen und Geschäftsführern teilen 78% diese Meinung. Versteht sich fast von selbst, dass der Anteil derer, die denken, dass sich diese Vertretung bewährt hat, geringer ist  – bei den Führungskräfte 84%, bei den Vorständen78%.

Nach dem Mitbestimmungsgesetz muss in Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern ein Sitz im Aufsichtsrat mit einem leitenden Angestellten besetzt werden. Das findet auch nach wie vor große Zustimmung in der Chefetage. Die Überlegung, diese Regelung auf kleinere Firmen mit weniger als 2.000 Mitarbeitern auszuweiten, ist allerdings umstritten. 64% der Führungskräfte befürworten sie, aber nur 38% der Vorstände und Geschäftsführer.

Die Globalisierung könne das deutsche Modell der Mitbestimmung gefährden, darüber sind sich beide Gruppen einig. Es wird vermutet, dass die Mitbestimmungsregelungen innerhalb der Europäischen Union zukünftig vereinheitlicht werden könnten.

Da verwundert es nicht, dass sich mehr als die Hälfte der Befragten für eine Flexibilisierung der Mitbestimmung ausspricht. Die derzeit gesetzlichen Regelungen sollen durch die Möglichkeit ersetzt werden, Mitbestimmung über Vereinbarungslösungen zu gestalten. Sollten diese Vereinbarungen scheitern, wünscht man sich eine gesetzliche Regelung, die anschließend in Kraft tritt.

Ist die Mitbestimmung in Deutschland Standortvorteil oder Nachteil? 52% der Führungskräfte sehen sie als Vorteil und 30% sehen dies neutral. Bei den Vorständen und Geschäftsführern sind von einem Standortvorteil nur 40% überzeugt, 34% sehen es neutral und tatsächlich 25% sehen darin einen Standortnachteil.

Abschließend stellt sich die Frage, wie es zu erklären ist, dass die deutsche Mitbestimmungsregelung grundsätzlich von beiden befragten Gruppen als absolut sinnvoll erachtet wird, sich dies aber nicht in der Beurteilung der Auswirkung auf den Standort Deutschland widerspiegelt. Hat man Angst ausländische Geldgeber abzuschrecken?

Kollektivarbeitsrecht

kranker TeddyAls ich heute morgen das Radio einschaltete lautete die erste Nachricht, dass in Deutschland die Anzahl der Krankschreibungen im 1. Halbjahr auf 4,4 % * gestiegen sei – so viel wie nie zuvor. Sie lag damit 0,3 Prozentpunkte höher als im 1. Halbjahr des Vorjahres. Woran liegt es bloß, dass diese Zahl von Jahr zu Jahr zu steigen scheint?

An erster Stelle der Erkrankungen stehen, mit einem Anteil von 22%, Rückenleiden und andere Muskel-Skelett-Erkrankungen. Hier stieg die Anzahl der Fehltage sogar um erschreckende 13%.  Mit 17 % Anteil folgen Erkrankungen des Atmungssystems. Der Anteil der psychischen Erkrankungen erhöhte sich auf 16% und die Krankheitsdauer ist hier besonders lang: Im Durchschnitt 35 Tage – also länger die der Beschäftigten mit Krebserkrankungen. Diese liegt bei 32 Tagen.
Erstaunlicherweise sind Frauen von Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen fast doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Der aktuellen Analyse zufolge wurde mehr als jeder Dritte mindestens einmal krankgeschrieben. Eine Erkrankung dauerte im Schnitt 12,3 Tage, das sind 0,6 Tage mehr als im Vorjahreszeitraum.

Unterscheidet man zwischen Bundesländern, sind Berufstätige im Osten (5,5%) häufiger und länger krank als die Kollegen im Westen (4,2%).

Sind diese Zahlen dadurch zu erklären, dass die körperlichen und  psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zunehmen? Es heißt doch immer, dass in den Unternehmen das Bewusstsein für einen betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz steigt. Das spiegelt sich leider nicht in den Zahlen wieder – im Gegenteil! Bei der Schaffung eines gesunden und sicheren Arbeitsplatzes scheint noch viel Luft nach oben zu sein.

*Laut einer aktuellen Analyse der DAK Gesundheit

Gesundheit

gaertnerH. ist seit 30 Jahren als Landschaftsgärtner angestellt. Bei einer Körpergröße von 1,94 wiegt er 200 Kilo. Das führt zu Problemen mit seinem Arbeitgeber. Sein Chef kündigte ihm aufgrund praktischer Probleme im Betriebsalltag. Er sei zu schwer, um auf eine Leiter zu steigen, er könne nicht mehr mit dem Kleintransporter des Gärtnerbetriebs fahren, da neben ihm nur eine weitere, statt der ursprünglich vorgesehenen zwei weiteren Personen auf die Sitzbank passe und selbst steuern könne er den Kleintransporter ohnehin nicht mehr. Graben- und Kanalarbeiten seien schwierig, da er nicht in die vorgeschriebene Grabenbreite passe. H.s Chef hat ihn schon ein Jahr vor der Kündigung überredet, an einem Gesundheitsprogramm eines Adipositaszentrums teilzunehmen, um sein Gewicht zu reduzieren. Leider ohne Erfolg.

Der Gärtnereibetrieb kündigte ihm daraufhin und H. zog vor Gericht, um seinen Arbeitsplatz und 6.000 Euro Entschädigung zu verlangen. Er selbst war nämlich der Meinung, er könne all seine betrieblichen Aufgaben ohne Einschränkung erledigen.

Die erste Instanz gab dem Gärtner recht, dass die Kündigung nicht rechtens sei, lehnte aber eine Entschädigung ab. Sowohl H. als auch sein Arbeitgeber legten daraufhin Berufung ein. Am LAG wurde dann ein Vergleich geschlossen. Der Gärtner wird weiterhin für den Betrieb arbeiten, muss aber abspecken. Eine Entschädigung bekommt er allerdings nicht.

Begründet hat das Gericht seine Entscheidung folgendermaßen: Fettleibigkeit könne nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs auch als Behinderung eingestuft werden. Und Arbeitnehmer dürfen u.a. wegen einer Behinderung nicht benachteiligt werden. Liegen schwere Behinderungen vor, wird das örtliche Integrationsamt hinzugezogen, das den betroffenen Arbeitnehmer unterstützt und ggf. zur Vermeidung einer Kündigung beiträgt.

Der Arbeitgeber hat dem Urteil zufolge eine besondere Verantwortung. Er muss den Betroffenen auch vor Witzeleien und bösen Kommentaren einiger Kollegen zu schützen. Wird daraus Mobbing, muss er die Initiatoren sogar entlassen.

In Zukunft, werden die Gerichte vermutlich noch häufiger darüber zu entscheiden haben, was passiert, wenn der Boss einen Mitarbeiter zu dick findet. Im Jahr 2014 haben sich laut BEK in Deutschland mehr als 7 Millionen Menschen wegen Fettleibigkeit behandeln lassen. Das sind erschreckende 14% mehr als in 2006.

Individualarbeitsrecht

mindestlohnAnfang 2015 wurde in Deutschland der Mindestlohn eingeführt und die Stimmen der Zweifler, die Arbeitsplatzverluste fürchteten, waren laut. Einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg (IAB)* zufolge sind mit 60.000 verloren gegangenen Stellen die Anzahl Entlassungen niedriger als befürchtet. Allein Sachsen kann sogar seit Einführung des Mindestlohns einen Anstieg der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 66.000 verzeichnen. Besonders das Gastgewerbe (plus 15%) und das Sozial- und Gesundheitswesen (plus 12%) haben aufgestockt.

In Sachsen hat der Mindestlohn die größten Auswirkungen. Viele Jahre war das Lohnniveau dort sehr niedrig, was u.a. auf eine Wirtschaftspolitik zurückzuführen war, die Firmen damit anlocken wollte. Rund ein Drittel aller sächsischen Betriebe beschäftigte vor 2015 Mitarbeiter, die weniger als 8,50 Euro Stundenlohn bekamen. In allen anderen Bundesländern war der Anteil deutlich geringer.
Allerdings hat fast die Hälfte aller sächsischen Betriebe seit Januar 2015 die Stundenlöhne auf das Mindestniveau angehoben – auch deutlich mehr als andere ostdeutsche Bundesländer. Insgesamt haben allein in Sachsen mehr als 300.000 Arbeitnehmer von der gesetzlichen Regelung profitiert.

Der Studie nach haben 14% der sächsischen Unternehmer die Arbeitszeiten reduziert bzw. die Aufgaben verdichtet. In anderen ostdeutschen Bundesländern liegt der Prozentsatz deutlich höher. Und natürlich hat sich auch die Geschäftspolitik durch die Einführung des Mindestlohns verändert. Teilweise wurden die Verkaufspreise erhöht, Investitionen wurden erst einmal zurückgestellt und Aufgaben ausgelagert.

Die Arbeitgeber teilen also die Freude über den Mindestlohn nicht. Nach wie vor warnen sie davor, dass die Arbeitskosten hierzulande im Vergleich zu anderen EU-Staaten zu stark gestiegen sind.

*Die Studie wurde vom sächsischen Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben. 1.200 sächsische Unternehmer wurden befragt.

Allgemein

SachgrundIm Netzwerk „Chefsache“ haben sich Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und des öffentlichen Lebens zusammengeschlossen. Ihnen liegt die Chancengleichheit von Frauen und Männern am Herzen, wohlwissend, dass nur ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis die deutsche Wettbewerbsfähigkeit sichere und letztlich Grundlage für gesellschaftlichen Wohlstand sei.

Deutschland könne es sich nicht leisten, gut ausgebildete Talente vom Erfolg auszuschließen – egal ob Mann oder Frau. Alle sollten die Chance haben, entsprechend ihrer Stärken Verantwortung zu übernehmen, damit alle Ressourcen und Innovationspotenzial genutzt werden können. Das sei nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern zahle sich unmittelbar ökonomisch aus.

Die Initiative Chefsache hat sich zum Ziel gesetzt, den gesellschaftlichen Wandel dorthin mit neuen Ansätzen und Konzepten zu unterstützen und eine Kultur der Wertschätzung in den Unternehmen zu etablieren. Es sei an der Zeit, dass unterschiedliche Lebensläufe anerkannt und Einstellungen fairer und flexibler gehandhabt werden. Als prominente Schirmherrin konnte Angela Merkel gewonnen werden.

Wie stehen denn eigentlich Sie zur Chancengleichheit in der Arbeitswelt? Sind Sie  tatsächlich frei von Vorurteilen – auch unbewusst?

Haben Sie Lust auf einen kleinen Test, um das herauszufinden? Die Initiative Chefsache hat dazu den kostenlosen „Uniconscious-Bias-Test“ entwickelt, der auf dem wissenschaftlich erprobten Impliziten Assoziationstest (IAT) der Harvard University basiert. Sie benötigen dazu nur Ihren Computer mit Tastatur.

Sie werden sehen, Sie erfahren viel Neues über sich und die Ergebnisse werden sich sicherlich nicht immer mit der eigenen Wahrnehmung decken.

 

 

Recht für Betriebsräte

wheelchair-1230101_640Gegen das beschlossene Bundesteilhabegesetz wird von verschiedenen Seiten Protest erhoben: So fordert der Sozialverband Deutschland e.V. unter anderem mehr Mitbestimmung und ein klares „Nein“ zu Leistungskürzungen. Die Wünsche und Wahlmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen müssten gestärkt werden. Einkommen und Vermögen dürften nicht länger herangezogen werden, wenn die Betroffenen Leistungen zur Eingliederungshilfe beziehen. Soweit die Forderungen!

Welche Struktur hat das SGB IX denn eigentlich künftig?

  • In Teil 1 ist das für alle Rehabilitationsträger geltende Rehabilitations- und Teilhaberecht zusammengefasst. Dieses allgemeine Recht wird durch zum Teil abweichungsfest ausgestaltete Regelungen, im Sinne von Artikel 84 Absatz 1 Satz 5 des Grundgesetzes,

innerhalb des SGB IX gestärkt.

Dieser Teil  wird durch weitere 12 Paragrafen ergänzt, unter anderem durch mehr Regelungen zur Prävention. Hier wird Kritik laut, weil einige Vorschriften das Wahlrecht der Menschen mit Behinderung weiter einschränken.

  • In Teil 2 wird die aus dem SGB XII herausgelöste und reformierte Eingliederungshilfe, als „Besondere Leistung zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ geregelt. Das SGB IX wird insoweit zu einem Leistungsgesetz aufgewertet. Leider werden hier teilweise Leistungsverschlechterungen gesehen und bemängelt.
  • In Teil 3 steht künftig das weiterentwickelte Schwerbehindertenrecht, das derzeit im SGB IX, Teil 2 geregelt ist. Damit scheinen sich die Verbände einigermaßen arrangieren zu können. Gerade aber für die SBV fehlt nach wie vor eine Regelung über Sanktionen gegen den Arbeitgeber bei Verstößen gegen Ihre Beteiligungsrechte.

Das Gesetz wird stufenweise eingeführt in 2017, 2018 und 2020. Die Änderungen, die die Schwerbehindertenvertretung betreffen, werden aber bereits zum 1.1.2017 in Kraft treten.

Was insbesondere Betroffene bemängeln, erfahren Sie hier

Recht für Betriebsräte

stretch-70382_1280Das neue Mantra in der Arbeitswelt heißt: Alles muss flexibel werden.  Zu der örtlichen Flexibilität, kommt die Flexibilität im Hinblick auf Arbeitszeiten und Urlaub. Betriebsräte sehen sich zunehmend mit Konzepten wie Vertrauensarbeitszeit und fließenden Grenzen zwischen Privatleben und Beruf konfrontiert.

Urlaub machen solange man möchte oder die Arbeitszeiten selber bestimmen. Nicht mehr die Anwesenheit steht im Mittelpunkt, sondern das Arbeitsergebnis. Was sich zunächst genial anhört und neugewonnene Freiheit bedeutet, kann sich genau in die andere Richtung entwickeln. Es stellt sich die Frage, ob der Mitarbeiter damit glücklich wird, oder ob die Flexibilisierung vor allem einen Effekt hat: Mehr Leistung aus jedem Einzelnen herauszukitzeln. Letztendliche Konsequenz ist dann nicht der Gewinn, sondern der Verlust von Freiheit und Selbstbestimmung. Denn mehrere Studien zeigen inzwischen, dass vielleicht flexibler, aber dafür auch sehr viel mehr gearbeitet wird.

Die wichtigsten Voraussetzungen für eine funktionierende Vertrauensarbeitszeit, die Vorteile für beide Parteien bringt, sind zwei Dinge. Erstens eine schon bestehende Vertrauenskultur im Unternehmen und zudem genau definierte Arbeitsziele sowie messbare und beurteilbare Kriterien wann das Arbeitskontingent erbracht ist.

Die zweite Anforderung ist allerdings nicht einfach zu erfüllen. Wie misst man die Leistung eines Mitarbeiters überhaupt und wie definiert man adäquate Ziele?  Ich würde mal behaupten in einigen Bereichen ist das mit Hilfe von Kennzahlen sehr gut möglich, bei anderen Tätigkeiten ist es vielfach schwierig bis unmöglich. Das Paradoxe ist übrigens, dass einige Systeme, die eingesetzt werden um Zielerreichungen und zu messen, von der Voraussetzung ausgehen, dass definierte Ziele höchstens zu 70 – 80 % erreicht werden dürfen. So z.B. die beliebte OKR-Methode, die unter anderem bei Unternehmen wie Google oder Intel im Einsatz ist. Die Schlussfolgerung bei 100% Zielerfüllung wäre, dass die Ziele zu tief angesetzt wurden. Der Mitarbeiter hätte mehr erreichen können. Wenn man diese Logik zu Ende denkt, dann dürfte der Mitarbeiter eigentlich keinen Feierabend mehr haben, weil er oder sie die Ziele nie erreichen darf.

In vielen Unternehmen werden Zieldefinitionen aber unbewusst, oder bewusst, schwammig gehalten. Man sagt dann einfach nur: Der Arbeitnehmer ist selbst dafür verantwortlich, dass alles läuft und er seine Arbeit schafft. Eine wirkliche Eigenverantwortung ist aber gar nicht möglich, da ich als Arbeitnehmer zwar totale Verantwortung übernehmen soll, aber die Rahmenbedingungen meiner Arbeit nicht selber bestimmen kann.

Wenn man Überstunden leistet, was eigentlich konzeptionell gar nicht möglich ist, werden diese nicht mehr vergütet oder registriert, sondern man kann demnächst dafür irgendwann früher gehen. Und wenn man die Arbeit im Büro tagsüber nicht schafft, arbeitet man einfach Abends von Zuhause aus weiter. Die Idee dahinter ist, dass sich alles irgendwann schon wieder wundersam ausgleicht. Hauptsache das Arbeitsergebnis stimmt.

Wer so denkt, verkennt aber die Dynamiken die hinter dem System stecken. Auf der einen Seite den sozialen Druck innerhalb der Belegschaft (Ah, der geht schon wieder und macht Feierabend/ Irgendwie arbeitet der immer weniger als ich) auf der anderen Seite die Erwartungen des Arbeitgebers (Das können sie doch auch noch schnell erledigen/ Ist wirklich alles schon fertig?). Außerdem setzen sich Arbeitnehmer selbst unter ständigen Druck. (Hätte ich das nicht noch besser machen können?/ Kann ich jetzt wirklich schon gehen?)  Das die Grenze von Beruf und Privatleben verwischt, kommt als Faktor nach hinzu. Richtig abschalten kann man nicht mehr. Für Arbeitnehmer die in Teilzeit arbeiten, sind diese Faktoren häufig noch gravierender.

Wie sieht es mit der Rolle des  Betriebsrats in dieser schönen neuen Arbeitswelt aus? Im Bereich der Mitbestimmung bei Arbeitszeiten wird seine Bedeutung abnehmen oder sogar irgendwann verschwinden. Denn die alte Formel, dass der Arbeitnehmer eine bestimmte Arbeitszeit zur Verfügung stellt und dafür ein Entgelt erhält, wird aufgelöst. Arbeitszeit ist jetzt sozusagen eine Flatrate. Umso wichtiger ist es, sich als Betriebsrat diese Trends bewusst zu machen und Vor- und Nachteile genau abzuwägen.

Meckern kann man immer, aber wie sieht denn die Alternative aus? Viel sinnvoller sind flexible, aber im Voraus fixierte Arbeitszeiten. Das gibt Spielraum für die jeweiligen Lebensumstände, aber auch Kontrolle und Verlässlichkeit für beide Seiten. Denn der Witz an der Sache: Die Planbarkeit aller privaten Dinge ist im klassischen Arbeitszeitenmodel oftmals besser durchführbar als in einem nebulösen Zustand irgendwo zwischen Privatleben, E-Mail checken und nächstem Meeting.

Ein aktuelles Urteil zu dem Themenkomplex finden Sie hier:

http://www.humanresourcesmanager.de/ressorts/artikel/arbeitszeitkonto-und-abgeltungsklage-auch-bei-vertrauensarbeitszeit-moeglich

Die Themen Arbeitszeitmodelle und Vertrauensarbeitszeit sind Teil unseres Symposiums „Spannungsfeld Arbeitszeit“:

www.poko.de/Betriebsrat/Seminare/Schwerpunkte-der-Betriebsratsarbeit/Arbeitszeit-und-Entlohnung/8826-Symposium-Spannungsfeld-Arbeitszeit

Recht für Betriebsräte

VergütungSo zumindest das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 25.03.2015 Az.: 5 AZR 874/12. Doch bevor man zur Sache kommt, sollten erstmal einige Danksagungen erfolgen. Politiker machen so etwas nach Wahlen immer. Man bedankt sich bei den Wahlhelfern und allen anderen die am Erfolg beteiligt waren. Selbst dann, wenn der Stimmenverlust bei über 10 Prozent liegt. Erfolg ist halt immer relativ. Gefunden habe ich diese Entscheidung im Januar Newsletter von Dr. Stephan Grundmann. Daher vielen Dank. Ich verzichte auch weitgehend auf copy and paste. 😉 Doch zur Sache. Starten wir mit einer Frage. Wofür bekommen wir unser Gehalt? Klar. Für die vereinbarte Tätigkeit. Das ist das, was Arbeitnehmer regelmäßig schulden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und was ist, wenn wir jetzt mehr machen? Also qualitativ gesehen. Bekommen wir dann auch mehr? Im entschiedenen Fall übernahm ein Referatsleiter die Aufgabe eines Abteilungsleiters. Also eine qualitativ höherwertige Tätigkeit. Stellen wir uns die Frage, ob diese höherwertige Tätigkeit „den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“?

§ 612 Abs. 1 BGB umfasst neben der quantitativen Mehrarbeit auch die qualitative Mehrleistung, also das Erbringen höherwertiger Leistungen als die vertraglich geschuldeten.

§ 612 Abs. 1 BGB regelt sowohl den Fall, dass der Arbeitnehmer – unabhängig davon, ob er hierzu rechtlich verpflichtet ist – auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede erfasst, als auch den, dass der Arbeitnehmer eine qualitativ höherwertige Tätigkeit als die nach der Tätigkeitsabrede geschuldete erbringt. Dabei setzt die Norm stets voraus, dass die Leistung „den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“.

Diese nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche objektive Vergütungserwartung ist – ohne dass es weiterer Darlegungen des Anspruchstellers bedürfte – bei der qualitativen Mehrleistung gegeben, wenn im betreffenden Wirtschaftszweig oder der betreffenden Verwaltung Tarifverträge gelten, die für eine vorübergehend und/oder vertretungsweise ausgeübte höherwertige Tätigkeit eine zusätzliche Vergütung vorsehen

Na also. Wer mehr macht, bekommt auch mehr.

 

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

frog-1161672_640Der FC Bayern München durfte in den letzten Wochen ganze zwei Mal zu einem Auswärtsspiel in Oberhausen antreten. Die Gegner waren in beiden Fällen allerdings nicht Spieler von Rot-Weiß Oberhausen, sondern Mitarbeiter des örtlichen Fan-Shops. Austragungsort war das Arbeitsgericht Oberhausen und zu beiden Fällen gibt es inzwischen auch den Endstand.

Im ersten Fall geht es um den Videobeweis. In der Bundesliga gibt es den noch nicht. Im Fan-Shop in Oberhausen macht der FC-Bayern allerdings bereits ausgiebig Gebrauch davon. Einer Mitarbeiterin wurde das zu viel. Ihre Beschwerde bezog sich auf die Überwachung des Sozialbereichs der Mitarbeiter mit Kameras. Sie verlangte den Abbau der Kameras, die Löschung sämtlicher gespeicherter Daten, sowie Schadensersatz. Insgesamt ist der Fan-Shop mit elf Kameras ausgestattet. Neun Kameras im Verkaufsbereich und zwei Kameras im Pausenraum der Belegschaft, der anscheinend auch zu Umkleidezwecken genutzt wird. Das Pikante daran: Die Bilder werden direkt nach München geschickt und die Mitarbeiter vor Ort haben keinen Zugriff auf die aufgenommen Bilder. Das Arbeitsgericht gab dem Verein Recht. Der überwachte Raum wird allenfalls als Lager mit Sozialbereich genutzt und nicht als reiner Sozialraum. Das Interesse des Arbeitgebers an der Diebstahlsaufklärung wird höher bewertet, als eine mögliche Persönlichkeitsrechtsverletzung. Wenn man dieser Argumentation folgt, also kein Foul und 1:0 für den FC Bayern.

Der zweite Fall betrifft den Fan-Shop Leiter, der nach einigen internen Problemen nach der Eröffnung des Shops im letzten Jahr vorschlug einen Betriebsrat zu gründen. Dies bekundete er sogar in einem persönlichen Brief an Uli Hoeneß und an die Geschäftsführung in München. Die Tatsache, dass Uli Hoeneß, in seiner Funktion als Unternehmer, in der Vergangenheit nicht unbedingt ein Fan von betrieblicher Mitbestimmung gewesen ist, hat der Mitarbeiter wahrscheinlich einfach verdrängt. Pech gehabt. Die Quittung folgte relativ zügig. Der Mitarbeiter sah die rote Karte und durfte das Spielfeld mit einem Kündigungsschreiben in der Hand verlassen. Als Gründe wurden u.a. Unregelmäßigkeiten während der Inventur genannt. Man hat sich inzwischen auf ein Unentschieden geeinigt. Oder um es im Arbeitsrechtsvokabular zu sagen: Es gab einen Vergleich zwischen den Parteien.

Allgemein