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…entpuppte sich als Vorgesetzter mit einem Smartphone. Im Original übrigens von John le Carre´ mit dem Titel „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Die Geschichte hier ist nicht ganz so bestsellerreif wie das Original, aber auch nicht uninteressant. Zumindest dann nicht, wenn man krankgeschrieben ist und die „gute“ Zeit nicht daheim, sondern samstags an der Autowaschanlage verbringt. Ist man zugleich auch noch intensivst bemüht, seine Karre sauber zu machen, kann es denn durchaus mal vorkommen, dass der Vorgesetzte um die Ecke kommt (auch er will ein sauberes Auto haben) und mit seinem schicken Smartphone der Marke Blackberry (frei erfunden und bei den Marktanteilen auch eher abwegig) mal eben ein paar Fotos vom Mitarbeiter macht, wie dieser im Vollbesitz seiner körperlichen, aber scheinbar nicht unbedingt geistigen Kräfte, sein Auto reinigt. Es kam zu Handgreiflichkeiten (spannend) und einer fristlosen Kündigung (nicht unerwartet). Aber! Wir wollen uns jetzt mal nicht mit der Kündigung beschäftigen, sondern mit der Frage, ob unser Arbeitnehmer von unserer Arbeitgeberin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen kann, es zu unterlassen, ihn zu fotografieren. Ferner, die Herausgabe der Fotos verlangen kann. Kann er? Nun, das LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.07.2013 Az. 10 SaGa 3/13 verneint diese Frage. Die Speicherung der Fotos stelle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers (Arbeitnehmer) dar, da aus der Sicht des Vorgesetzten der konkrete Verdacht bestand, der Kläger habe seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht und somit einen Entgeltfortzahlungsbetrug begangen. Ebensowenig konnte das LAG hier eine Wiederholungsgefahr erkennen. Nachvollziehbar. Die Situation Krank, Autowaschanlage, intensive Reinigung, Spion mit Blackberry-Smartphone (Vorgesetzter) ist eher selten, aber nicht entscheidend.

„Allein die Tatsache, dass die Arbeitgeberin die Fotos im laufenden Kündigungsschutzverfahren vorgelegt hat, bietet keine hinreichende Grundlage für die Annahme des Klägers, die Arbeitgeberin hielt sich für berechtigt, diese auch beliebigen außen stehenden Dritten zur Verfügung zu stellen.“

Die Fotos darf die Arbeitgeberin auch erstmal behalten, denn die Anfertigung war erstens nicht rechtswidrig und zweitens würde die Herausgabe der Fotos nicht zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs führen, sondern zur Erfüllung. Und dies ist eine Vorwegnahme der Hauptsache,die nicht gerechtfertigt ist.

Die Darstellung ist zwar wieder etwas grob, aber ausreichend. 🙂

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Was soll das denn sein? Eine faktische Probezeit, so fragen wir uns. Dazu müssen wir erstmal klären, was überhaupt mit dem Begriff faktisch gemeint ist. Faktisch meint so viel wie in Wirklichkeit, tatsächlich oder wirklich. Wir haben es also mit einer wirklichen Probezeit zu tun. Ob es auch unwirkliche Probezeiten gibt, vermag ich nicht zu sagen. Aber eher nicht. Doch worum geht es. Es geht um einen Arbeitnehmer (klar, was sonst) und um eine Arbeitgeberin (auch klar). Unser Arbeitnehmer war bei unserer Arbeitgeberin beschäftigt bzw. tätig. Zunächst als Leiharbeitnehmer für sechs Monate und anschließend mit Anstellungsvertrag für weitere knapp sechs Monate. Das „knapp“ ist wichtig. Der Arbeitsvertrag mit der Arbeitgeberin enthielt eine Probezeit von sechs Monaten. Mit Schreiben vom 29.05.2012 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit mit der vertraglich vereinbarten Frist von einem Monat. Der Betriebsrat wurde zuvor angehört, widersprach aber der Kündigung. Ach ja, ich vergaß. Im Januar 2012 erteilte man dem Kläger noch ein gutes Zwischenzeugnis, also erst kurz nachdem er die Beschäftigung bei der Arbeitgeberin aufnahm. Eher ungewöhnlich. Aber nun gut. Wo liegt jetzt das Problem? Nun, das Problem liegt darin, dass gegen Kündigungen innerhalb der Probezeit wenig bis gar nichts auszurichten ist und das Kündigungsschutzgesetz erst Anwendung findet, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate in demselben Betrieb bestanden hat, § 1 KSchG. Doch unser Arbeitnehmer war ja schon zuvor als Leiharbeitnehmer einige Monate im Betrieb tätig. Rechnet man diese Zeiten zusammen, so wäre die Probezeit längst vorbei und das Kündigungsschutzgesetz fände Anwendung. Die Zeit als Leiharbeitnehmer wäre also die faktische Probezeit gewesen. Das Arbeitsgericht Braunschweig konnte dieser Auffassung aber nicht folgen, ebensowenig das Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az. 12 Sa 50/13 v. 05.04.2013. Das LAG Niedersachsen führt aus, dass die Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer zwar im Hinblick auf die Wählbarkeit nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anzuwenden sind, dies aber nicht für § 1 Abs. 1 Satz 1 KSchG gilt. Das KSchG spricht vom vertragsrechtlichen Begriff des Arbeitsverhältnisses, während das Betriebsverfassungsrecht in § 8 Abs. 1 Satz 1 davon ausgeht, ob jemand schon sechs Monate dem Betrieb angehört, also eher auf die tatsächliche Eingliederung im Betrieb abstellt. Demgegenüber hatte unser Arbeitnehmer zunächst nur einen Vertrag mit dem Verleiher und dann mit dem Entleiher. Es handelt sich also um zwei verschiedene Verträge und somit um zwei aufeinanderfolgende Arbeitsverhätlnisse mit zwei verschiedenen Arbeitgebern, so das LAG Niedersachsen. Nun denn…

„Schön“ ist auch diese Begründung:

„Dagegen verändert sich bei der Neubegründung eines festen Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher nach Ablauf eines vorgeschalteten Leiharbeitsverhältnisses die Perspektive. Aus der vorherigen Zusammenarbeit kennt der Entleiher den Arbeitnehmer nur aus der „Kundenperspektive“. Bestimmte Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis (z. B. die Anzeige- und Nachweispflichten nach § 5 EntgeltfortzahlungsG) musste der Leiharbeitnehmer primär gegenüber seinem Vertragsarbeitgeber, d.h. bisher gegenüber dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, erbringen.“

…und jetzt natürlich gegenüber seinem neuen Arbeitgeber. Den „gelben Schein“ also nicht mehr zum Verleiher, sondern jetzt zum Entleiher. Das ist wirklich eine ganz andere Sache. Erstaunlich… sagte das Grüffeltier. Ist doch eher unwirklich. Oder?

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

…und eine Berührung derselben reichten einem KfZ-Mechaniker zur fristlosen Kündigung. Das Ganze spielte sich im Waschraum mit einer externen Reinigungskraft ab, wobei der Kläger (hier der KfZ-Mechaniker) unverzüglich den Waschraum verließ, nachdem ihm von der Reinigungskraft deutlich gemacht wurde, dass sie dies nicht wünsche. Soweit das Tatgeschehen. Dem Kläger war die ganze Sache scheinbar auch sehr peinlich. Er nahm an einem Täter-Opfer-Ausgleich teil und zahlte der Reinigungskraft ein Schmerzensgeld von 100 EUR und entschuldigte sich. Ein Strafverfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Für die Reinigungskraft war die Sache damit erledigt. Und nun? Machen wir es kurz. Das Arbeitsgericht Wuppertal hielt die fristlose Kündigung für wirksam, das LAG Düsseldorf 7 Sa 1878/12 v. 12.06.2013 nicht. Zwar betont das LAG ausdrücklich, dass der streitgegenständliche Vorfall grundsätzlich geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

„Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist allerdings abhängig von den Umständen des Einzelfalls, unter anderem von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG, Urteil vom 25.03.2004, 2 AZR 341/03, m.w.N., zitiert nach juris).“ 

Es gilt also der Grundsatz: Je heftiger, desto… Interessant. Vorliegend hat der Kläger aber sofort von der Reinigungskraft abgelassen, an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilgenommen und sich entschuldigt. Zudem handelte es sich um einen einmaligen Vorfall. Die Reinigungskraft fühlte sich vom Kläger auch nicht weiter bedrängt und setzte ihre Arbeit fort. Eine scharfe Abmahnung hätte wohl gereicht, so das LAG. Keine Wiederholungsgefahr! Die Kündigung war demnach unwirksam.

Wir wollen uns den Fall jetzt aber nicht umgekehrt vorstellen… 🙂

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Und damit meine ich nicht die Gerichtskosten, und schon gar nicht Anwaltskosten. Die sind wohl verdient und haben im ein oder anderen Fall durchaus den Charakter eines Schmerzensgeldes. Nein, ich meine was anderes. Und zwar den fehlenden Lohn auf Seiten des Gekündigten. Warum? Nun, die Frage ist leicht zu beantworten. Die Erhebung der Kündigungsschutzklage hindert nicht den Lauf der Kündigungsfrist. Das Arbeitsverhältnis ist zunächst irgendwann einmal beendet. Und ab dann wird es „teuer“. Wobei teuer nicht unbedingt das richtige Wort ist. Knapp, trifft es viel eher. Denn wer nicht ordentlich was auf der hohen Kante hat, muss ab sofort mit 60 bzw. 67 Prozent seines bisherigen Nettos auskommen. Gezahlt von der Agentur für Arbeit. Das kann hart werden. Hiergegen hilft § 102 Abs. 5 BetrVG, wenn der Betriebsrat ordnungsgemäß widersprochen hat. Dann nämlich bleibt das Arbeitsverhältnis und somit auch die Pflicht zur Bezahlung während des gesamten Prozesses bestehen, sofern der Arbeitnehmer dies verlangt. Was er in der Regel auch tun wird. Ansonsten ist ihm nicht mehr zu helfen…
Arbeitgeber dagegen mögen diese Vorschrift nicht so sehr. Verständlich. Denn die kann teuer werden. Und das will man nicht. Gegen aussichtslose Klagen und offensichtlich unbegründete Widersprüche ist der Arbeitgeber geschützt. Nr. 1 und 3 helfen da weiter. Geschützt ist der Arbeitgeber auch, wenn die Weiterbeschäftigung zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung führen würde. Doch was ist eigentlich eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung. Nach Auffassung des LAG Düsseldorf Az. 4 SaGa 6/13 v. 24.04.2013, ist diese im Falle einer Betriebsstillegung gegeben, wenn hierfür neben den reinen Entgeltkosten eigens mit hohem Aufwand eine betriebliche Infrastruktur aufrechterhalten werden müsste. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer nicht geltend machen, der Arbeitgeber bräuchte -ohne ihn tatsächlich zu beschäftigen- lediglich das Entgelt zu zahlen. Vorliegend geht es um Weiterbeschäftigung und nicht um die bloße wirtschaftliche Besserstellung des Arbeitnehmers, so das LAG Düsseldorf.

Das Urteil gibt es hier und zwar umsonst. 🙂

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Mit dieser Frage musste sich das Arbeitsgericht Cottbus, Urteil vom 30.05.2013 auseinandersetzen. Der Kläger (der Arbeitnehmer) ist seit 2008 bei der Beklagten als Fachangestellter für Bäderbetriebe beschäftigt. In den Jahren 2012 und 2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen, was dieser jedoch nicht tat.

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

…wenn ich mich auf eine andere Stelle bewerbe. Mit dieser Frage hatte sich das LAG Mecklenburg-Vorpommern 5 Sa 106/12 Urteil v. 05.03.2013 zu beschäftigen. Doch der Reihe nach. Im Arbeitsleben durchläuft man als Mitarbeiter verschiedene Phasen, zumindest dann, wenn man immer beim selben Arbeitgeber/in beschäftigt ist.

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Kündigung und Kündigungsschutz sind doch eigentlich die beliebtesten Themen im Arbeitsrecht, so meine ich. Und nach der Lektüre des Urteils vom LAG Rheinland-Pfalz vom 18.04.2013 10 Sa 10/13 und der aufkommenden Schwüle, fällt mir eigentlich nichts Besseres ein, als mal eine Aufstellung meiner Lieblingskündigungsverhütungsgründe aufzuzeigen. Da ist auf Platz eins natürlich der ich-schließ-erst-gar-keinen-Arbeitsvertrag-ab Grund. Auf diesen Grund bin ich hier schon eingegangen, so dass ich mir weitere Ausführungen sparen kann. Aber zumindest ein sehr effektiver Kündigungsschutz. Auf Platz zwei folgt der 

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Krank mit Ansage ist ein Klassiker. Gerne in der Variante: „Wenn ich das und das nicht bekomme (Anm. des Autors: Meistens geht es um Urlaub) bin ich morgen krank. Die Reaktion der Arbeitgeber ist unschwer zu erraten. Man kündigt gerne. Nun ja. In dieser Konstellation durchaus nachvollziehbar, unabhängig von der Frage, ob der Arbeitnehmer nun wirklich krank ist oder eben nicht. Entscheidend ist wohl, dass hier eine kleine Drohung versteckt ist. Wenn-Dann-Satz halt. Es gibt aber auch andere Varianten. Mit einer solchen musste sich das LAG Berlin-Brandenburg beschäftigen. Der Fall lag etwas anders. Ein Arbeitnehmer äußerte gegenüber zwei Kollegen, dass er nächste Woche unbedingt Urlaub brauche, da er „kaputt“ sei. Mit „kaputt“ meinte er, er sei „durch“ und er wolle ja auch nicht zum Arzt gehen. An diesem Tag (einem Freitag) arbeitete er noch bis zum Feierabend. Sein Vorhaben zog er dann auch „erbarmungslos“ durch und fehlte am darauf folgenden Montag unentschuldigt. Einen Tag später erhielt er die Kündigung, suchte aber zeitgleich einen Arzt auf, der ihn ab dem Montag Arbeitsunfähigkeit bescheinigte.
Folgt man dem LAG Berlin-Brandenburg, so… -Achtung! Jetzt kommt die juristisch korrekte Antwort- kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Ankündigung objektiv erkrankt war. War er es, so liegt nicht zwingend eine erhebliche Pflichtverletzung vor, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Auch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer am Freitag noch arbeitete, ist kein Beweis dafür, dass er nicht wirklich krank gewesen sei, so das LAG Berlin-Brandenburg. Da der Kündigende für alle Umstände darlegungs- und beweispflichtig ist, die als wichtige Gründe für die Begründung der Kündigung geeignet sein können, hätte die Arbeitgeberin beweisen müssen, dass der Arbeitnehmer am Freitag eben nicht krank war. Dies gelang ihr nicht, bzw. sie hat erst gar keinen Beweis angeboten. Kündigung somit vom Tisch. Alles schön und gut. Aber irgendetwas stört mich hier. Und zwar ist es dieser Satz: „Ich bin „kaputt“, ich will aber nicht zum Arzt gehen.“ Dieser Satz könnte auch so viel bedeuten wie: „Ich hab keinen Bock mehr, ich bin „durch“ und wenn ich keinen Urlaub bekomme, dann gehe ich halt zum Arzt und der wird mich eh krank schreiben.“

Wenn-Dann-Satz?

Das Urteil gibt es hier.

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Die Mitbestimmung bei Kündigungen ist immer so eine Sache. Arbeitgeber mögen die Vorschrift eigentlich gar nicht so gerne. Aus Arbeitgebersicht verständlich. Aber eben nur aus dieser. Was geht es schließlich den Betriebsrat an, wen ich kündige. Aus diesem Grund wird der Betriebsrat auch gerne mal übergangen, wenn es um dieses Thema geht. Mit unangenehmen Folgen. Dies zeigt uns § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Ja so ein Mist! 🙂 Auf der anderen Seite tun sich Betriebsräte schwer, wenn sie ihren Widerspruch begründen sollen. Nicht selten wird einfach auf § 102 Abs. 3 Nr. 1-5 BetrVG verwiesen. Such dir einen aus, der passt schon irgendwie. Leider reicht das nicht so wirklich. Das LAG Hessen hat sich im o. g. Urteil ein wenig mit dieser Problematik beschäftigt. Ein Arbeitnehmer, beschäftigt als Produktionsleiter Autogentechnik sollte gekündigt werden. Zu diesem Zweck wurde auch der Betriebsrat angehört. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung und verwies darauf, dass man den Arbeitnehmer als Serviceleiter weiterbeschäftigen könne und berief sich auf § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. Dies hielt das LAG Hessen für nicht ausreichend. Dem LAG zufolge ist ein Widerspruch dann ordnungsgemäß erklärt, wen er sich einem der Widerspruchsgründe des § 102 Abs. 3 Nr. 1-5 BetrVG zuordnen lässt. Er muss geeigneten Tatsachenvortrag enthalten. Erforderlich ist also, dass die vom Betriebsrat zur Begründung seines Widerspruchs angeführten Tatsachen es als möglich erscheinen lassen, dass einer der in § 102 Abs. 3 BetrVG genannten Widerspruchsgründe vorliegt, ohne dass andererseits der Widerspruchsgrund schlüssig vorgetragen sein müsste. Aha!! Anm. des Verfassers: Mit dem schlüssig Vortragen ist das halt immer so eine Sache. Lieber macht man es luschig. Ausreichend ist letztlich, dass die vom Betriebsrat  angeführten Tatsachen zusammen mit anderen Tatsachen einen Widerspruchsgrund ergeben könnten. Die Weiterbeschäftigung als Serviceleiter würde demnach unter § 102 Abs. 3 Nr. 3, 4 und 5 BetrVG fallen. § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG scheidet nach Auffassung des LAG Hessen aus. Denn diese Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer ohne zumutbare Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen und zu veränderten Vertragsbedingungen weiterbeschäftigt werden kann. Dies war vorliegend nicht der Fall, da der Betriebsrat selbst vortrug, dass für die Stelle als Serviceleiter eine Einarbeitung von neun Monaten erforderlich gewesen wäre. Nach Auffassung des Gerichts ist dies nicht mehr zumutbar im Sinne § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG, da die Einarbeitungszeit die maximal zulässige Probezeit von sechs Monaten um drei Monate überschreitet und dies auch nach dem Arbeitsvertrag nicht mehr zumutbar sei. Das Gericht war zudem auch der Auffassung, dass es sich bei der Stelle als Serviceleiter um eine Position als leitender Angestellter handelt, für die eine Vertragsänderung erforderlich gewesen wäre. Somit sind wir bei § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG. Doch hier fehlte es am Einverständnis des Arbeitnehmers. Damit war auch diese Nummer gegessen.

Wie hätte das LAG Hessen wohl entschieden/beschlossen, wenn der Betriebsrat nichts zur Dauer der Einarbeitungszeit gesagt hätte. Und der Arbeitgeber vielleicht auch nicht. Prüfen wir einmal… Aber nicht mehr heute.

Den Beschluss gibt es hier.

Kollektivarbeitsrecht Recht für Betriebsräte

Die Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen einer ordentlichen Kündigung ist nicht immer einfach zu vermitteln. Vielleicht ist dieser nicht mehr ganz taufrische Fall aber hilfreich. Vorliegend gehts es um einen alkoholabhängigen Suchttherapeuten. Wer jetzt glaubt, dass dies ein Widerspruch an sich ist, der sollte bedenken, dass es durchaus sinnvoll sein kann, wenn der Therapeut über eigene Erfahrungen verfügt. Er sollte nur eben „trocken“ sein. Bei einem „untrockenen“ (der Begriff ist unfachmännisch – ich weiß) Therapeuten könnte es dann doch gegebenenfalls mal zu merkwürdigen Begebenheiten kommen. Dies dürfte nachvollziehbar sein. Ebenso werden Mobbing-Seminare auch nicht von erfahrenen Mobbern gehalten. Geschweige denn, dass hier ausgeklügelte Mobbingstrategien erarbeitet werden. Alles Gerüchte und völliger Unsinn. Das Thema ist im Übrigen viel zu wichtig, um darüber Späße zu machen. Doch zurück zu „unserem“ Therapeuten. Dieser war als Ergotherapeut im Bereich der sog. Arbeits- und Kreativtherapie tätig. Ziel dieser Therapie ist die Entwöhnung von Suchtmitteln. Der Kläger ist selbst „Alkoholiker“, was dem Beklagten -ein Verein, der eine Fachklinik für Suchterkrankungen betreibt- bei der Einstellung auch bekannt war. Allerdings ging man davon aus, dass der Kläger „trocken“ war. Ende 2006 kam es zu mehreren Rückfällen, auf die der Beklagte mit Abmahnungen reagierte. Von März bis April 2007 unterzog sich der Kläger einer stationären Entwöhnungsbehandlung, die aber letztlich erfolglos blieb. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Im Gütetermin einigte man sich auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und die Entfernung sämtlicher Abmahnungen aus der Personalakte. Der Kläger wurde im Mai 2009 abermals rückfällig, so dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht kündigte.

Das BAG hielt die fristlose Kündigung für unwirksam, da es vorliegend an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB fehlt. Tatsachen, aufgrund derer es dem Beklagten unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, lagen nicht vor. Anders lag der Fall aber bei der ordentlichen Kündigung. Diese hielt das BAG für gerechtfertigt, da der Kläger aufgrund seiner Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr biete, seine Tätigkeit auf Dauer ordnungsgemäß zu erbringen. Das BAG sah hier eine Gefahr für die Patienten, wenn diese erkennen, dass ihr Therapeut alkoholisiert ist. Auch die erforderlich negative Prognose hielt das BAG für gegeben, da der Kläger bereits in der Vergangenheit mehrfach rückfällig wurde. Auch die Interessenabwägung fiel zugunsten des Beklagten, also des Arbeitgebers, aus. Diesem sind die Belastungen, die durch die Alkoholabhängigkeit des Klägers entstehen, auf Dauer nicht zuzumuten. Insbesondere besteht ein erhebliches betriebliches Interesse daran, die dem Beklagten anvertrauten Suchtkranken nicht in die Hände eines Therapeuten zu geben, bei dem die ständige Gefahr besteht, dass dieser während seiner Arbeit unter Alkoholeinfluss steht.

Nachvollziehbar…

Das Urteil gibt es hier.

Individualarbeitsrecht Recht für Betriebsräte